Dritter Ast
Da die ehrwürdigen Überlieferungen, die von den Zeichen des Weltuntergangs und von den Ereignissen der Endzeit und von den Vorzügen und den Verdiensten mancher guter Taten handeln, nicht genau verstanden werden, halten ein Teil der Wissenschaftler sie für schwach (d.h. nicht nachweisbar) oder für widerlegt. Ein Teil von ihnen, dessen Glaube schwach und dessen Ego stark ist, ist bis zur Leugnung gegangen. Hier wollen wir uns nicht mit den ausführlichen Einzelheiten befassen und nur »zwölf Pfeiler« erklären.
Erster Pfeiler: Es ist die Frage, die schon bezüglich der Frage und der Antwort am Ende des »Zwanzigsten Wortes«besprochen wurde. Eine Zusammenfassung davon lautet wie folgt: Der Glaube ist eine Prüfung, eine Erfahrung. Er unterscheidet erhabene Geister von niederen. Darum soll er von den Ereignissen, die in der Zukunft für jeden augenscheinlich sichtbar werden, in der Weise berichten, dass sie weder ganz und gar unbekannt bleiben, noch eindeutig erkennbar werden, wodurch sie jeder gewollt oder ungewollt hätte bestätigen müssen. Er öffnet dem Verstand das Tor, nimmt ihm aber die Entscheidungsfreiheit nicht aus den Händen. Wenn ein Zeichen des Weltuntergangs völlig eindeutig erkennbar wäre und es ein jeder bestätigen müsste, dann würde eine Einstellung (so gewöhnlich) wie Kohle mit einer Einstellung (so erlesen wie) Diamanten vermischt bleiben. Der Sinn des Angebotes und die Folge der Prüfung gingen verloren. Deswegen kamen viele Meinungsverschiedenheiten bezüglich der vielen Fragen, wie der Fragen über Mehdi und Sufyan zu Stande. Darüber hinaus sind die Überlieferungen auch sehr unterschiedlich, und dadurch entstanden voneinander entgegengesetzte Auffassungen.
Zweiter Pfeiler: Islamische Fragen gibt es auf verschiedenen Stufen. Verlangt eine nach einem sicheren Beweis (für den hinterfragten Gegenstand), begnügt sich eine andere damit, dass man (das Gefragte) für äußerst wahrscheinlich hält. Noch eine andere erfordert nur, dass man (mit der gegebenen Antwort) einverstanden ist und (sie) nicht ablehnt. Deswegen soll man bei jeder Frage, die nicht die (allgemeinen) Glaubensgrundsätze betrifft und die zu den Einzelheiten gehört (über die man verschiedener Meinung sein kann), und bei jedem Ereignis, welches über die Zeichen der Zeit vorausgesagt wurde, nicht nach einem sicheren Beweis verlangen. Vielmehr soll man sich damit begnügen, etwas nicht zu bestreiten, sondern für möglich zu halten.
Dritter Pfeiler: In der Zeit der Gefährten Mohammeds (Friede und Segen sei mit ihm) bekehrten sich viele von den Gelehrten unter den Söhnen Israels und unter den Christen zum Islam. Auch ihre alten Kenntnisse (vergangener Dinge) wurden mit ihnen zusammen islamisch. Manche ihrer vorherigen Kenntnisse, die den tatsächlichen Geschehnissen zuwider liefen, wurden gleichfalls für Eigentum des Islam gehalten.
Vierter Pfeiler: Manche Aussagen der Überbringer der ehrwürdigen Ahadith oder deren Ausdeutungen hielt man für den Text der Ahadith. Da der Mensch nicht frei von Fehlern ist, wurden manche ihrer der Wahrheit zuwiderlaufende Ausdeutungen oder Worte für Hadith gehalten, jedoch für schwach erklärt.
Fünfter Pfeiler: Dem Sinn der folgenden Überlieferung entsprechend
»Wahrlich finden sich in meiner Gemeinde solche, die Inspirationen erhalten, d.h. diejenigen, die Eingebungen haben.«
entstanden manche Aussagen, die man für Hadith hielt, durch die Inspirationen einiger Hadithgelehrter, Männern einer inneren, geistigen Schau, die Inspirationen empfingen, die Gottesfreunde waren. Es können in den Inspirationen der Gottesfreunde - bei Ungenauigkeiten - Mängel erscheinen. Auf diese Art kann also ein Teil der Überlieferungen der Wahrheit zuwiderlaufen.
Sechster Pfeiler: Es gibt manche Erzählungen, die unter den Menschen berühmt wurden. Sie gelten als (Erzählungen), die Beispiele geprägt haben. Man soll sie nicht für bare Münze nehmen, sondern für das betrachten, wozu sie geprägt worden sind. So erwähnte der ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, manche Gleichnisse und Erzählungen dieser Art, welche unter den Menschen bekannt waren, als Lehrbeispiele oder als eine Art Andeutung. Wenn die wörtlichen Aussagen in solchen Fällen fehlerhaft erscheinen, sollte man sie zu den Traditionen und menschlichen Gewohnheiten rechnen, zu dem, was man so ganz allgemein vom Hörensagen her kennt.
Siebenter Pfeiler: Es gibt sehr viele Vergleiche und Beispiele, die mit der Zeit oder durch den Wechsel aus der Hand des Wissens in die Hände des Unwissens nun wörtlich verstanden wurden. So kommt man zu Fehlern. Zum Beispiel: Zwei Engel Gottes, die »Sevr (Stier)« und »Hut (Fisch)« genannt werden, und in der Welt der Beispiele und Gleichnisse als Stier und Fisch erscheinen und die Tiere auf dem Land und in den Meeren beobachten, stellte man sich irrigerweise als einen riesigen Stier und einen leibhaftigen Fisch vor und versuchte diese Überlieferung zu kritisieren.
Ein weiteres Beispiel: Einmal hörte man in Gegenwart des Propheten ein dumpfes Geräusch. Der ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, sagte: »Dieses Geräusch kommt von einem Stein, der seit siebzig Jahren hinab gerollt und in diesem Augenblick auf dem Boden der Hölle aufgeschlagen ist.« So kann jemand, der diese Überlieferung hört, der aber die Wahrheit nicht kennt, versuchen, sie zu leugnen. In Wirklichkeit steht mit Sicherheit fest, dass kurz danach jemand kam, der dem ehrenwerten Gesandten, mit dem Friede und Segen sei, die Nachricht überbrachte: »Der bekannte Heuchler (Munafiq) ist vor kurzem verstorben.« Der ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, erklärte in einer überaus treffenden Weise, dass dieser Munafiq in seinem siebzigsten Lebensjahr, nachdem er ein Leben lang wie ein Stein seinen Weg zur Hölle hinab gerollt war, mit seinem Fall zum Niedrigsten der Niedrigen und zu einem Beispiel für den Unglauben geworden war. Gott der Gerechte ließ im Moment seines Abscheidens dieses Geräusch hörbar werden und machte es zu einem Zeichen.
Achter Pfeiler: Gott der Vollkommene-Allweise verbirgt an diesem Ort der Erfahrungen und dem Platz der Prüfungen sehr bedeutende Dinge innerhalb vieler anderer. Mit dieser Verborgenheit sind viele Weisheiten und viele gute Gründe verknüpft. Zum Beispiel: Er verbarg die Nacht von Qadr (= Macht, Bestimmung) innerhalb des Monats Ramadan; die Stunde, in der alle Gebete erhört werden, in dem Tag der Versammlung (Freitag); Seinen geschätzten Freund unter den Menschen; die Todesstunde in der Spanne des Lebens; und die Zeit des Weltuntergangs innerhalb der Lebenszeit der Erde. Wenn aber die Todesstunde des Menschen bekannt wäre, würde sie bis in die Hälfte seiner Lebensspanne eine totale Gottvergessenheit und nach der Hälfte ein Entsetzen zu Wege bringen, wie (der Weg dessen,) der Schritt für Schritt dem Galgen entgegen geführt wird. Deshalb erfordert die Angelegenheit, die das Gleichgewicht zwischen der jenseitigen und der diesseitigen Welt bewahrt und immer zwischen Furcht und Hoffnung hält, dass in jedem Moment sowohl Sterben als auch Leben möglich sein soll. In diesem Fall werden zwanzig Jahre einer uns nicht bekannten Art innerhalb einer uns nicht bekannten Lebensspanne einer uns bekannten Lebensspanne von tausend Jahren vorgezogen. So verhält es sich auch mit dem Weltuntergang, jener Todesstunde der Welt, welche »der Große Mensch« ist. Wenn ihre Stunde bekannt wäre, würde die erste und die mittlere Periode totaler Gottvergessenheit verfallen und die letzte Periode im Entsetzen verharren. Der Mensch ist in seinem persönlichen Leben mit dem Fortbestehen seines Hauses und seines Dorfes verbunden, wie er in seinem gesellschaftlichen Leben und auch als Gattung mit dem Leben des Erdballs und des Diesseits verbunden ist. Der Qur'an sagt:
»Die Stunde des Weltuntergangs ist nah.«
Wenn sie nach so vielen tausend Jahren noch nicht eingetreten ist, stellt das nicht ihre Nähe in Abrede. Denn der Weltuntergang ist die Todesstunde der Welt. Im Vergleich mit der Lebenszeit der Welt sind ein oder zwei tausend Jahre wie ein, zwei Tage oder ein, zwei Minuten. Die Stunde des Weltuntergangs ist nicht nur die Todesstunde der Menschheit, sodass man sie mit deren Lebensspanne vergleichen und so für unmöglich halten könnte. Darum verbirgt der Vollkommene-Allweise die Stunde des Weltuntergangs in Seiner Allwissenheit als eines der fünf nicht voraus berechenbaren Geheimnisse. So gehört es denn zu diesem Geheimnis des Unbekannten, dass sich jedes Jahrhundert, ja sogar das glückliche Zeitalter, das Zeitalter (des Propheten und seiner Gefährten), die ein Auge für die Wahrheit hatten, stets vor der Stunde des Weltuntergangs fürchtete. Ja manche sagten sogar: »Ihre Kennzeichen sind fast schon zur Gänze erschienen.«
So sagen nun unbillig denkende Menschen, die diese Wahrheit nicht kennen: »Wie konnten sich die Sahabis (Gefährten des Propheten), die über die jenseitige Welt bis ins Einzelne unterrichtet wurden und wachsame Herzen und einen scharfen Blick hatten, in ihren Gedanken ein Ereignis in ferner Zukunft, welches in dieser Welt nach vierzehnhundert Jahren noch nicht eingetreten ist, in naher Zukunft denken, als lebten sie, noch tausend Jahre von der Wahrheit entfernt, nur noch in ihrer Vorstellung?«
Antwort: Dies geschah, weil die Sahabis (Gefährten des Propheten), gesegnet mit einer Fülle von Gesprächen mit dem Propheten, mehr als andere über die jenseitige Welt nachgedacht haben und sich der Vergänglichkeit dieser Welt bewusst waren. Sie verstanden die Weisheit Gottes, die in der Nichtbekanntgabe der Stunde des Weltuntergangs liegt und erwarteten stets die Todesstunde der Welt sowie ihre eigene Todesstunde und bemühten sich stets ernsthaft um das Jenseits. Es entspricht der Rechtleitung durch den Propheten, die aus dieser Weisheit entstand, wenn der ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, wiederholt darauf hinwies: »Erwartet den Weltuntergang und gebt auf ihn Acht!« Andererseits sagte (der Prophet) dies nicht auf Grund einer Offenbarung, die sich auf ein bestimmtes Ereignis bezieht, sodass (dieser Hinweis) weit davon entfernt wäre, wahr zu sein. Die beabsichtigte (Aussage) ist das eine und der Sinn (dieser Aussage) ist das andere. Also rühren diese Art Worte des Propheten, mit dem Friede und Segen sei, aus der Weisheit der Nichtbekanntgabe her.
Des Weiteren haben die Leute auf Grund dieser tiefen inneren Weisheit Persönlichkeiten wie Mehdi und Sufyan, die in der Endzeit der Welt kommen werden, vor langer Zeit sogar schon in der Zeit der Tabiin, also der zweiten Generation nach dem Propheten, erwartet und dachten ihnen bald zu begegnen. Manche Gottesfreunde sagten sogar: »Sie sind schon vorüber.« So verlangt denn auch dies, gleich dem Weltuntergang, von der Weisheit Gottes diesen Zeitpunkt nicht anzugeben. Denn jede Zeit, jedes Jahrhundert bedarf dieser Idee vom Mehdi, um seine innere Kraft zu stärken und sich von der Verzweiflung zu befreien. An der Kraft dieser Erwartung muss ein jedes Zeitalter seinen Anteil haben. Des Weiteren soll sich jedes Zeitalter vor den schrecklichen Menschen, Despoten, die Zwist und Kriege führen, zurückhalten und sie fürchten, damit es nicht in Gottvergessenheit verfällt und dem Bösen nicht folgt und ihm nicht gehorcht, und nicht in seiner Gleichgültigkeit die Zügel der Begierde loslässt und seine Seele nicht in Zucht nimmt. Wenn der Zeitpunkt ihres Erscheinens angegeben wäre, würde der Zweck der allgemeinen Rechtleitung verloren gehen.
Nun ist die Verschiedenheit der Überlieferungen über die Persönlichkeiten wie den Mehdi und ihr Grund der folgende: Diejenigen, die die Überlieferungen kommentierten, wandten die Texte der Überlieferungen bei ihren Kommentaren und Auslegungen an. Zum Beispiel: Da damals der Regierungssitz in Damaskus oder in Medina lag, stellten sich die Kommentatoren die Ereignisse um den Mehdi oder Sufyan in Gegenden wie Basra, Kufa oder Damaskus, die in der Umgebung dieser Regierungssitze lagen, vor und kommentierten auch dementsprechend. Des Weiteren stellten sich die Kommentatoren die gewaltigen Werke, wie sie aus der Einflusssphäre dieser Persönlichkeiten und in der Gemeinschaft um sie herum entstanden, so vor, als hätten diese Persönlichkeiten sie (selbst und ganz allein) vollbracht und legten sie dementsprechend aus. Sie stellten sie so dar, als könnten alle Menschen diese außergewöhnlichen Persönlichkeiten sofort erkennen, sobald sie sich zeigen würden. Wir sagten aber schon: Diese Welt ist ein Platz der Prüfung. Dem Verstand wird eine Tür geöffnet, aber die Entscheidungsfreiheit nicht aus den Händen genommen. Wenn diese Persönlichkeiten erscheinen, können viele sie nicht erkennen, auch der schreckliche Deddjal kennt sich am Anfang selbst nicht. Vielmehr können diese Persönlichkeiten der Endzeit nur bei aufmerksamer Betrachtung im Lichte des Glaubens erkannt werden.
In einer ehrwürdigen Hadith wird über den Deddjal (der Betrüger, dessen Erscheinen) zu den Zeichen gehört, die auf den nahenden Weltuntergang hinweisen, überliefert: »Sein erster Tag gleicht einem Jahr, sein zweiter Tag einem Monat, sein dritter Tag einer Woche, sein vierter Tag ist gleich wie die gewöhnlichen Tage. Wenn er erscheint, wird die ganze Welt davon hören. Er wird die ganze Welt in vierzig Tagen bereisen.« Unbillig denkende Menschen betrachteten diese Überlieferung als unmöglich. Gott bewahre! Sie versuchten diese Überlieferung zu leugnen und für nichtig zu erklären. In Wirklichkeit muss ihre Wahrheit lauten:
»Alles Wissen ist bei Gott!«
Darin liegt ein Hinweis darauf, dass eine Person von nördlicher Richtung kommen wird, welche die Gottheit leugnet und sich an die Spitze einer gewaltigen Strömung stellt, die aus dem ungläubigen Gedankengut der Naturalisten im Norden durchsickert, wo die ungläubige Welt am dichtesten ist. In diesem Hinweis findet sich als Zeichen der Weisheit, dass in der polarnahen Zone das Jahr nur aus einer Nacht und einem Tag besteht. Sechs Monate sind Nacht und sechs Monate sind Tag. »Für den Deddjal ist ein Tag gleich einem Jahr« weist darauf hin, dass er in der Nähe dieser Zone erscheinen wird. »Sein zweiter Tag ist ein Monat« besagt, dass die Sonne im Sommer einen Monat lang nicht untergeht, wenn man von Norden her kommt. Dies zeigt auch, dass der Deddjal im Norden auftritt und nach der zivilisierten Welt greifen wird. Während die Überlieferung dem Deddjal Tage zumisst, weist sie auf diese Bedeutung hin. Je weiter er hierher nach Süden kommt, geht die Sonne eine Woche nicht unter. Noch weiter unten dauert es drei Stunden vom Untergang bis zum Wiederaufgang der Sonne. Als ich in Russland in Gefangenschaft war, war ich an einem solchen Ort. In der Nähe von uns sah man, dass die Sonne eine Woche nicht unterging. Um das zu sehen, reisten die Leute dort hin. Die Bedingung, dass die ganze Welt hören wird, wenn der Deddjal sich zeigt, erfüllten Telegramme und Rundfunk. Seine Vierzig-Tage-Reise machen heute Züge und Flugzeuge als seine Reittiere möglich. Die Ungläubigen, die früher diese beiden Bedingungen für unmöglich hielten, halten sie heute für alltäglich.
Da ich Gog und Magog und die große Mauer, welche zu den Kennzeichen des nahenden Weltuntergangs gehören, bereits in einer Abhandlung in gewissem Grade ausführlich behandelt habe, möchte ich hier nur noch kurz darauf hinweisen und folgendes dazu sagen:
Es wird in den alten Überlieferungen erwähnt, dass die Völker der Mandschurei und der Mongolei in der Geschichte schon einmal die menschliche Zivilisation zu Grunde gerichtet und diejenigen, die den Bau der großen chinesischen Mauer veranlasst haben, kurz vor dem Weltuntergang wiederum die menschliche Zivilisation in einem Anflug von Terrorismus zu Grunde richten werden. Manche Ungläubige sagen: »Wo sind diejenigen, die so viel ungeheuerliches getan haben und noch tun werden?«
Antwort: Eine Naturkatastrophe gleich einer Heuschreckenplage sieht man in mancher Jahreszeit sehr häufig. Ist die Jahreszeit vorüber, zieht sich diese Insektenart, welche das Land zerstört hatte, bis auf einige, wenige Exemplare zurück. Ist ihre Zeit wieder gekommen, geht die gleiche Plage mit Gottes Befehl wieder in großem Umfang von diesen wenigen Exemplaren aus. Es scheint, als habe ihre Art sich verflüchtigt, doch bleibt ihre Natur weiterhin ungebrochen. Ist ihre Zeit gekommen, sind sie wieder da. Genauso werden auch die gleichen, welche schon einmal die Welt durcheinander gewirbelt hatten, wenn ihre Zeit gekommen ist mit der Erlaubnis Gottes, wieder die menschliche Zivilisation durcheinander wirbeln. Doch ihre Drahtzieher treten nun unter einer anderen Maske auf.
»Das Verborgene kennt Gott allein!«
Neunter Pfeiler: Die Resultate eines Teils der Glaubenswahrheiten beziehen sich auf diese durch Bedingungen eingeschränkten und engen Welt. Ein anderer Teil von ihnen bezieht sich auf die weite und unbegrenzte Welt des Jenseits. Da ein Teil der ehrwürdigen Ahadith, die von den besonderen Vorzügen der guten Taten und ihren Belohnungen handeln, in einem poetischen Stil abgefasst sind, um einen ermunternden oder zurechtweisenden Einfluss auszuüben, sehen sie oberflächlich betrachtende Menschen als übertrieben an. Da sie alle ein Ausdruck der reinen und lauteren Wahrheit sind, gibt es in ihnen nichts, was unwahr oder übertrieben wäre. Da ist zum Beispiel das folgende Hadith, mit dem sich die Gemüter aller unbillig Denkenden am meisten beschäftigen.
(au kema qal = oder so ähnlich)
Sinngemäße Wiedergabe: »Wenn die Welt bei Gott dem Gerechten so viel Wert hätte wie der Flügel einer Mücke, dürften die Ungläubigen noch nicht einmal einen Schluck Wasser von ihr trinken.«
Der Sinn ist folgender: Der Ausdruck
»Bei Gott.«
besagt, dass hier von der ewigen Welt die Rede ist. In der Tat ist Licht aus der ewigen Welt (wenn auch nur von der Bedeutung) eines Mückenflügels, da es nun einmal ewig ist, mehr als das Licht, das die Erde füllt, und doch nur vergänglich ist. Hier wird also nicht die ganze, große Welt mit einem Mückenflügel verglichen, sondern vielmehr gesagt, dass die ganz persönliche Welt, die in der winzig kleinen Lebensspanne eines jeden Menschen Platz findet, nicht mit dem beständigen Segen Gottes und der Gnade Gottes, wenn auch nur von der Größe eines Mückenflügels, verglichen werden kann. Des Weiteren hat die Welt zwei Gesichter, ja vielmehr drei Gesichter. Das eine ist der Spiegel der Namen Gottes des Gerechten. Das zweite ist auf das Jenseits gerichtet; sie ist der Acker des Jenseits. Das dritte blickt auf die Vergänglichkeit und Nichtigkeit. Das ist die uns bekannte Welt der Leute des Irrwegs, die nicht Gottes Wohlwollen findet. Das heißt, es ist dies ein Hinweis darauf, dass es nicht die riesengroße Welt ist, die der Spiegel der schönen Namen Gottes und die Briefe des Einzigartigen und der Acker des Jenseits ist, sondern vielmehr die Welt der Weltenanbeter, die dem Jenseits widerspricht und die Quelle aller Fehler und der Ursprung allen Übels ist, die nicht den Wert auch nur eines Stäubchens der Ewigkeit hat, das den Leuten des Glaubens in der jenseitigen Welt gegeben wird. Wo also findet sich nun diese Ausdeutung, die in höchstem Maße richtig und für ernst zu nehmen ist, und wo bleibt die Bedeutung, so wie sie die ungerechten Leute des Unglaubens verstanden haben! Wo steht die Bedeutung, die diese ungerechten Leute des Unglaubens für dermaßen übertrieben und unwahr halten!
Noch ein Beispiel: Eine der Überlieferungen, die die ungerechten Leute des Unglaubens für übertrieben halten, ja sogar als eine unvorstellbare Übertreibung und als eine irrige Vorstellung betrachten, sind die über die Belohnungen für gute Taten und die über besondere Vorzüge mancher Suren. Zum Beispiel: Es gibt folgende Aussagen des Propheten: »Die erste Sure Fatiha (die Eröffnung) bringt so viele Segenspunkte wie der ganze Qur'an.« »Die Sure 112 (Ihlas = Aufrichtige Hingabe) wie ein Drittel des ganzen Qur'an.« »Die Sure 99 (das Beben) wie ein Viertel.« »Die Sure 109 (die Ungläubigen) wie ein Viertel.« »Die Sure 36 (Ya-Sin) zehnmal so viel wie der ganze Qur'an.« So sagen denn Menschen, die dies ungerecht und oberflächlich betrachten: »Das ist unvorstellbar. Denn es sind die Sure Ya-Sin und noch andere Suren, die besondere Vorzüge haben, schon im Qur'an vorhanden. Aber wird deswegen schon eine solche Aussage sinnlos?«
Antwort: Die Wahrheit ist aber folgende: Jeder Buchstabe des weisen Qur'an bringt Segen. Er ist ein gutes Werk. Durch die Gnade Gottes bringt der Segen dieser Buchstaben Früchte, manchmal zehn, manchmal siebzig, manchmal siebenhundert (wie die Buchstaben des Thronverses, Ayatu l-Kursi, Sure 2, Vers 255), manchmal tausendfünfhundert (wie die Buchstaben der Sure 112, Ihlas = Aufrichtige Hingabe), manchmal zehntausend (wie die Ayat, die man in der Nacht der Berufung des Propheten, Leyle-i Berat, und zu anderen bestimmten Zeiten rezitiert) und manchmal dreißigtausend, (also etwa ebensoviel wie ) zum Beispiel Mohnkörner hervorbringen können (z.B. die Ayat, die man in der Nacht der Bestimmung, Leyle-i Qadr, rezitiert). Der Hinweis des Qur'an, dass diese Nacht tausend Monaten entspricht, ist so zu verstehen, dass in dieser Nacht ein Buchstabe im Qur'an dreißigtausendfachen Segen bringt. In der Tat kann der weise Qur'an mit der Vielzahl der Segnungen, die von ihm ausgehen, in nichts aufgewogen werden und er wird es auch nicht. Doch kann er durch den Segen, der von ihm ausgeht, mit einigen seiner Suren verglichen werden.
Zum Beispiel: Stellen wir uns einen Acker vor, auf dem Maiskörner ausgesät sind; tausend Körner wurden ausgesät. Nehmen wir an, dass manche Körner sieben Kolben hervor bringen und jeder Kolben je hundert Körner enthalte. Dann entspricht (dem Ertrag, den) ein einziges Korn (hervorgebracht hat), zwei Drittel der gesamten Aussaat. Zum Beispiel bringt eines von ihnen zehn Kolben und jeder Kolben zweihundert Körner hervor. Dann erzielt ein einziges Korn zweimal so viel wie vorher die gesamte Aussaat im Acker. Auf diese Weise kann man also einen Vergleich ziehen.
Jetzt wollen wir uns einmal den weisen Qur'an als einen lichtvollen, heiligen Acker des Himmels vorstellen. Hinsichtlich des Segens, der aus der Anzahl seiner Buchstaben erwächst, entspricht vergleichsweise jeder seiner Buchstaben einem Saatkorn. Sein Fruchtstand (= der Kolben) soll hier nicht mit berechnet werden. An Hand von Suren und Ayat wie den Suren Ya-Sin, Ihlas, Fatiha, Qul ya ayyuha l-kafirun, Idha dhu l-dhilatu l-'ardu und anderen, über deren besondere Vorzüge sich der Prophet äußerte, kann er gewogen werden. Zum Beispiel: Der weise Qur'an hat im Ganzen dreihunderttausend und sechshundertzwanzig Buchstaben. Sure 112, Ihlas (Aufrichtige Hingabe) hat mit Besmele Zehnter Pfeiler: Wie es unter den meisten Arten der Geschöpfe Ausnahmefälle gibt, so finden sich auch hinsichtlich der menschlichen Taten und Werke einige außergewöhnliche Einzelmenschen. Wenn diese Individuen in guten Taten vorangeschritten sind, dann ist ihre Art stolz auf sie. Im anderen Fall werden sie ein schlechtes Zeichen sein. Des Weiteren verbergen sie sich sogar. Es ist, als seien sie zu einer Legende geworden, oder zu einem Ideal. Alle anderen streben danach, selbst zu einer solchen Persönlichkeit zu werden. Jeder hat eine Möglichkeit, das zu werden. Was aber jenes vollkommene, außergewöhnliche Individuum betrifft, so ist es nicht an Zeit und Raum gebunden und unsichtbar. In An-betracht seiner Unsichtbarkeit liegt logischerweise die Möglichkeit, von ihrer Allgemeingültigkeit zu sprechen. Das heißt, eine jede Tat kann nach der Überlieferung (unabhängig von Zeit, Raum und Öffentlichkeit) weitreichende Wirkungen haben. Zum Beispiel: »Wenn jemand zwei Rekat Namaz (Gebet) in dieser oder jener Zeit verrichtet, verdient er so viel Segen wie bei einer Pilgerfahrt.« So entsprechen denn tatsächlich manchmal zwei Rekat Namaz einer ganzen Pilgerfahrt. Bei jedem Gebet von zwei Rekat ist diese Bedeutung allgemein gegeben. Das heißt jedoch, dass diese Aussagen des Propheten nicht jederzeit und für jeden zutreffend sind. Da die Annahme (unserer Gebete) von bestimmten Bedingungen abhängig ist, unterliegt sie nicht dem, was allgemein und allzeit gilt. Vielmehr ist sie entweder zeitlich bedingt, also nicht vorgeschrieben oder allzeit möglich und für alle gültig. Das heißt, die Allgemeingültigkeit einer Aussage des Propheten bringt lediglich eine Möglichkeit zum Ausdruck.
Noch ein Beispiel: »Die üble Nachrede gleicht dem Mord.« Das heißt, bei der üblen Nachrede gibt es einzelne Fälle, die, im Vergleich mit einem Mörder, mehr Schaden anrichten als mörderisches Gift. Noch ein Beispiel: »Ein schönes Wort gilt als eine große Wohltat wie die Freilassung eines Sklaven.« Wenn in solchen Aussagen, wo es sich um Ermunterung und Anregung handelt, die Möglichkeit, dass dieser nicht näher definierte besondere Fall grundsätzlich überall eintreten kann, in Form einer allgemeinen Aussage formuliert wird, so geschieht das, um die Ermunterung zum Guten und die Abscheu vor dem Bösen zu erwecken. Darüber hinaus können die Dinge der ewigen Welt nicht mit dem Maß dieser Welt gewogen werden. Das größte von hier kann mit dem kleinsten von dort nicht in gleicher Münze gewogen werden. Da sich der Segen für die Wohltaten auf die jenseitige Welt bezieht, bleibt unser irdisches Blickfeld dafür beschränkt. Wir können solche Dinge nicht mit unserem Verstand erfassen. Zum Beispiel:
»Wer dies liest, dem wird so viel Segen gegeben, wie der Segen von Moses und Aaron.«
nämlich:
»Aller Lobpreis und Dank gebührt dem Herrn der Himmel, dem Herrn der Erde und Herrn der Welten.« »Sein ist die Herrlichkeit in den Himmeln und auf Erden, und Er ist der unbesiegte Sieger und der Allweise.« (Sure 45, 37) »Aller Lobpreis und Dank gebührt dem Herrn der Himmel, Herrn der Erde und Herrn der Welten. Sein ist die gewaltige Größe in den Himmeln und auf Erden, und Er ist der unbesiegte Sieger und der Allweise. Ihm, dem Herrn der Himmel, gehört das Reich und Er ist der unbesiegte Sieger und der Allweise.«
Dergleichen Aussagen sind es, die in erster Linie den kritischen Blick derer, die unbillig und oberflächlich denken, auf sich ziehen. Die Wahrheit ist folgende:
In welchem Umfang wir uns in dieser Welt mit unserem eingeengten Blickfeld und unseren viel zu kurz greifenden Gedanken eine Vorstellung machen können über den Segen, den Moses und Aaron, mit denen Friede sei, erhalten, kann mit dem Segen, den der Allbarmherzige in der ewigen Welt mit der ewigen Glückseligkeit einem Seiner Diener in Not für ein einziges Gebet gibt, verglichen werden. Zum Beispiel ist da ein Beduine, ein einfacher Mann, der noch nie den König gesehen hat. Er kennt nicht seine majestätische Größe. Wie er sich den Aga (Landherren) auf einem Dorf vorstellt, so denkt er sich in seiner so begrenzten Vorstellung, einen König als einen großmächtigen Aga. Ja, es gab unter uns sogar naive Leute, die früher immer sagten: »Was der König an seinem Lagerfeuer macht, während er neben seinem Kochtopf sitzend seinen Bulgur (Grützensuppe) rührt, das weiß unser Aga.« Das heißt also, dass sie sich den König ihrer begrenzten Betrachtungsweise und gewöhnlichen Vorstellungsweise dachten, wie er seinen eigenen Bulgur selbst kochte. Sie dachten sich ihn in etwa so mächtig wie einen Hauptmann. Hätte jemand einem von diesen Männern gesagt: »Wenn du heute für mich diese Arbeit machst, will ich dir so viel Macht geben, wie viel du dir nur unter der Macht eines Königs vorstellen kannst, das heißt: ich will dir einen so hohen Rang geben, wie er dem eines Hauptmanns entspricht.«, so entspricht dieses Versprechen der Wahrheit. Denn das, was von der königlichen Majestät in seine kleine Vorstellungswelt hineinpasst, ist nur so viel wie der Macht eines Hauptmanns entspricht.
So können wir uns denn mit weltlichen Augen und mit unserem beschränkten Denkvermögen die Wahrheit über den Segen, den wir im Jenseits empfangen werden, auch nicht anders vorstellen, als dieser Wanderhirte seinen König. Es handelt sich hier nicht um einen Vergleich mit dem Segen, den Moses und Aaron, mit denen Friede sei, tatsächlich erhalten, der uns aber unbekannt ist. Denn in der Regel wird immer etwas Unbekanntes mit etwas Bekanntem verglichen. Es handelt sich hier vielmehr um einen Vergleich des Segens, den ein gläubiger Diener für ein einziges Gebet tatsächlich empfängt, der aber uns unbekannt ist, mit einem Segen (dieser beiden Persönlichkeiten), den wir uns vorstellen können, der uns bekannt ist und den wir vergleichen können.
Darüber hinaus wäre die Meeresoberfläche mit einem Wassertropfen zu vergleichen, der das ganze Spiegelbild der Sonne in sich umfasst. Der Unterschied besteht in der Qualität. Die Art des Segens, der sich in dem Spiegel des Geistes von Moses und Aaron, mit denen Friede sei, gleich wie in einem Meeresspiegel reflektiert, ist die selbe Art Segen, den ein gläubiger Diener gleich dem Spiegel eines Wassertropfens von einer Ayah empfängt. Hinsichtlich der Art und der Menge sind sie gleich. Was aber die Qualität betrifft, so ist sie von der Fähigkeit abhängig. Manchmal passiert es, dass ein einziges Wort, ein einziges Gebet einen solchen Schatz der Glückseligkeit öffnet, den man vielleicht in sechzig Jahren Dienst nicht erlangt. Das heißt; manchmal treten geistige Zustände ein, in denen eine einzige Ayah wie der ganze Qur'an Nutzen bringen kann.
Darüber hinaus kann die Belohnung von Gott, die der ehrenwerte Gesandte, mit dem Friede und Segen sei, der unter der Erscheinung des Gewaltigen Namens (Gottes) steht, durch eine einzige Ayah erreicht, vielleicht der Belohnung entsprechen, die ein (anderer) Prophet in seinem ganzen Leben erhält. Wenn man sagt, dass ein Gläubiger, der durch das Erbe Ahmeds, mit dem Friede und Segen sei, unter den Schatten des Gewaltigen Namens (Gottes) tritt, seiner Begabung entsprechend hinsichtlich der Menge so reichlich Lohn und Segen empfängt wie der Gnade und dem Segen eines Propheten entspricht, kann dies nicht ein Widerspruch zur Wahrheit sein. Des Weiteren gehören Segen und Tugend zu der Welt des Lichtes. Eine (Spiegelung der) Welt aus dieser Welt (des Lichts) kann in einem kleinsten Teilchen Platz finden. Wie in einer winzig kleinen Glasscherbe der Himmel mit seinen Sternen sichtbar wird, genauso kann sich in einem Gebet (dhikr) oder in (der Rezitation) einer Ayah, welche durch eine aufrichtige Einstellung kristallklar (er Spiegel) werden, eine Belohnung und Segen so leuchtend klar wie der Himmel wiederfinden.
Schlusswort: Oh Mensch, der du unbillig, oberflächlich, im Glauben schwach, in der Philosophie aber stark, selbstgefällig und kritisch bist! Betrachte diese Zehn Pfeiler. Und versuche dann nicht, indem du dir eine Aussage, die du als der Wahrheit widersprechend und mit Sicherheit den Gegebenheiten entgegengesetzt betrachtest, zum Vorwand machst, den Finger der Kritik gegen die Aussagen des Propheten und infolge dessen gegen den Rang der Fehlerlosigkeit des ehrenwerten Gesandten zu erheben! Denn zuallererst bringen diese Zehn Pfeiler dich dazu, von einer Verleugnung abzusehen. Sie sagen dir: »Gibt es tatsächlich einen Fehler, so liegt er auf unserer Seite.« Er kann nicht auf Seiten der Hadith liegen. Und »Ist der Fehler gar nicht wirklich (ein Fehler), so ist er auf einen Mangel an Verständnis deinerseits zurückzuführen.« Kurzum, wenn man etwas leugnen, zurückweisen will, muss man zuerst einmal diese »Zehn Pfeiler« leugnen, d.h. widerlegen können. Wenn du recht und billig denken kannst, solltest du nun, nachdem du über diese Zehn Pfeiler gründlich nachgedacht hast, nicht mehr aufstehen, um den Ahadith des Propheten, die dein Verstand als der Wahrheit zuwiderlaufend betrachtet, zu widersprechen! Sage: »Entweder gibt es dazu einen Kommentar oder eine Auslegung, oder sie haben (ganz offensichtlich) einen Sinn« und kritisiere sie nicht!
Elfter Pfeiler: Der weise Qur'an bringt Gleichnisse, die einer Deutung bedürfen, doch er fordert absolute Ergebenheit. Auch die Aussagen des Propheten enthalten wie die Gleichnisse des Qur'an Darstellungen. Manchmal bedürfen sie eines sehr sorgfältigen Kommentars und der Auslegung. Wir können uns mit den oben erwähnten Beispielen begnügen.
Ein Mann im Wachzustand kann ja den Traum eines schlafenden Mannes an Hand seiner Bewegungen deuten. Genauso hört manchmal ein Mann im Schlaf die Stimmen der Leute, die neben ihm wach sind und sich unterhalten. Er nimmt sie innerhalb seiner Traumwelt wahr und verleiht ihr entsprechend Gestalt. Genauso, oh du unbillig denkender Mensch, der du wie betäubt im Schlaf deiner Gottvergessenheit und deiner Philosophie liegst, sollst du das, was jene Persönlichkeit sieht, die das Geheimnis von
»Da wandte er seinen Blick nicht ab und ließ ihn nicht umherschweifen.« (Sure 53, 17)
und von
»Es schlafen meine Augen, doch mein Herz schläft nicht.«
erfahren hat und die wirklich wach ist, nicht in deinem Traum zurückweisen, sondern auslegen. Manchmal erlebt ein Mensch im Schlaf tatsächlich den Stich einer Mücke als ein Ereignis im Traum, als würde er in einem fürchterlichen Krieg verwundet. Könnte man ihn danach fragen, würde er sagen: »Tatsächlich wurde ich verwundet. Auf mich wurde mit Flinten und Kanonen geschossen.« Diejenigen, die neben ihm sitzen, lachen über seine Qual im Schlaf. Das bedeutet also, dass der schläfrige Blick eines Gottvergessenen und seine philosophischen Gedanken mit Sicherheit kein Prüfstein für prophetische Wahrheiten sein können.
Zwölfter Pfeiler: Da der Blick des Prophetentums, des Eingottglaubens (Tauhid) und des Glaubens (Iman) auf die Gegenwart Gottes (Vahdet), das Leben nach dem Tod (ahiret) und auf die Existenz des einen Gottes (Uluhiyet) gerichtet ist, sieht er auch die Wahrheit dementsprechend. Das Auge (westlicher) Philosophie und Weisheit ist auf die Vielfalt in der Schöpfung, deren Ursachen und deren Natur gerichtet und sieht sie dementsprechend. Ihre Ausgangspunkte sind voneinander weit entfernt. Das größte Ziel der Leute des philosophischen Denkens ist unter den Zielen der Leute der Theologie und den Wissenschaftlern der Lehre vom Wort so winzig und unbedeutend, dass man es kaum sehen kann.
Aus diesem Grund sind die Leute der Weisheitslehre in ihren ausführlichen Erklärungen über das Wesen allen Seins und über die Feinheiten ihrer Formen weit fortgeschritten. Sie sind aber in dem hohen Wissen über Gott und über das Leben nach dem Tod so rückständig, dass sie noch rückständiger sind, als ein Gläubiger bei seinen Anfängen. Diejenigen, die dieses Geheimnis nicht bemerken, denken, die Gelehrten des Islams wären verglichen mit den (westlichen) Philosophen (den Naturwissenschaftlern) zurückgeblieben. Wie könnten jedoch diejenigen, denen der Verstand in die Augen gerutscht ist (d.h. sie glauben nur noch das, was sie sehen) und die in ihren Vielfältigkeiten erstickt sind (d.h. sie haben den Blick für das Ganze verloren), sich erdreisten, diejenigen, die dank des Erbes des Prophetentums die hohen heiligen Ziele erreicht haben, einholen zu können.
Wenn ein und dieselbe Sache aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird, ergibt sich tatsächlich eine zweifache Schau (haqiqat) und beide sind tatsächlich gegeben. Doch keine endgültige wissenschaftliche Schau kann der heiligen Schau des Qur'an widersprechen. Der kurze Arm der Wissenschaft kann den reinen unbefleckten Saum seines Gewandes nicht erreichen. Als Muster erwähnen wir hier ein Beispiel:
Wenn die Erdkugel zum Beispiel aus dem Blickwinkel der Naturwissenschaftler betrachtet wird, lautet ihre Wahrheit folgendermaßen:
Sie ist ein mittelmäßiger Planet und kreist inmitten zahlloser Sterne um die Sonne. Im Vergleich mit diesen Sternen ist sie nur ein kleiner Himmelskörper. Aber wenn sie aus dem Blickwinkel der Leute des Qur'an betrachtet wird, wie im »Fünfzehnten Wort« erläutert wurde, lautet ihre Wahrheit folgendermaßen:
Da der Mensch, die Frucht der Welt und ein ohnmächtiges, schwaches Wunder der Macht ist, einzigartig, doch das vielseitigste, liebenswerteste und anmutigste, ist die Erde seine Wiege und seine Wohnung. Sie ist im Verhältnis zum Kosmos zwar klein, winzig, aber in ihrer Bedeutung und als ein Kunstwerk das Herz und der Mittelpunkt des ganzen Kosmosâ?¦ sie ist die Messe und der Ausstellungsort aller wunderbaren Kunstwerke (Gottes)â?¦ der Erscheinungsort und Brennpunkt aller Manifestationen Seiner Namenâ?¦ der Versammlungsort und Spiegel der unbegrenzten Tätigkeiten der Herrschaft (Gottes)â?¦ der Angelpunkt und Markt der zahllosen Schöpfungen Gottes, besonders der im großen Umfang freigiebig erschaffenen kleinen Arten unter den Pflanzen und Tieren und sie ist ein Ort, wo die Muster für die Kunstwerke der überaus weiten jenseitigen Welten im kleinen Maßstab vorgeführt werden. Sie ist eine schnell arbeitende Weberei der Ewigkeit. Sie ist eine sich schnell ändernde Nachbildung der Szenen der ewigen Welt. Sie ist ein enges, zeitliches Feld und Beet, wo die Samenkörnchen der immerwährenden Gärten schnell ihre Früchte tragen.
Wegen dieser geistigen Größe und künstlerischen Bedeutsamkeit hält der weise Qur'an die Erde, die den Himmeln gegenüber wie eine winzige Frucht eines riesigen Baumes gilt, allen Himmeln gegenüber im Gegengewicht, wie ein winzig kleines Herz einem riesigen Körper gegenüber. Er legt sie in eine Waagschale und alle Himmel in die andere Waagschale und spricht oft von:
»Der Herr der Himmel und der Erde.« (Sure 13, 16)
So kannst du andere Beispiele mit diesem vergleichen und verstehen. Die geistlosen trüben Tatsachen der westlichen philosophischen Denkweise (Naturwissenschaft) können nicht mit den Tatsachen des Qur'an, voll Geist und Licht, kollidieren. Da ihre Blickwinkel voneinander ganz verschieden sind, ist auch ihre Betrachtungsweise ganz verschieden voneinander.