ABDULLAH4
Forum Yöneticisi
[h=1]Dreiundzwanzigstes Wort - Der Wert des Glaubens[/h]
[h=3]Diese Abhandlung besteht aus zwei Kapiteln.[/h]
»Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen. Wahrhaftig, Wir haben den Menschen erschaffen und ihm den höchsten Wert verliehen; dann erniedrigten Wir ihn zum Geringsten aller Geringen, ausgenommen diejenigen, die glauben und gute Werke tun.« (Sure 95, 4-6)
1. Kapitel2. Kapitel
[h=1]Erstes Kapitel[/h]
In den folgenden fünf Punkten werden wir nur fünf Werte des Glaubens unter tausenden erklären.
Erster Punkt: Durch das Licht des Glaubens steigt der Mensch zur höchsten Höhe auf und erreicht einen Wert, der ihn für das Paradies qualifiziert. In der Dunkelheit des Unglaubens steigt er hinab zum Niedrigsten der Niedrigen und nimmt eine Form an, die ihn für die Hölle geeignet macht. Denn Glaube ist eine Beziehung, die den Menschen mit seinem erhabenen Meister verbindet. Der Wert des Menschen entsteht aus der göttlichen Kunst und den Ornamenten der Gottesnamen, die an ihm im Lichte des Glaubens beobachtet werden. Unglaube trennt diese Verbindung, sodass die Kunst des Herrn nicht mehr sichtbar ist und der Wert des Menschen reduziert wird auf den Preis seiner bloßen physischen Existenz, wobei diese physische Existenz des Menschen fast keinen Wert hat, denn sie besteht nur aus einem zeitlichen, vergänglichen und sterblichen tierischen Leben. Wir werden dies durch einen Vergleich erklären.
Auch bei den von Menschenhand geschaffenen Kunstwerken unterscheidet sich der Materialwert vom Kunstwert. Zuweilen können beide wie gleich erscheinen, zuweilen kann der Materialwert höher als der Kunstwert sein. Zuweilen geschieht es auch, dass man bei einem Materialwert von fünf Pfennig, zum Beispiel für Eisen, ein Kunstwerk im Werte von fünf Pfund entdeckt. Ja, zuweilen können Antiquitäten Millionen wert sein während ihr Materialwert kaum fünf Pfennig beträgt. Bringt man solch ein antikes Kunstwerk zu einer Antiquitätenmesse, kann es für eine Million verkauft werden, wenn man es als Werk eines alten Meisters ausstellt, wenn man dabei diesen begnadeten Künstler erwähnt, der es geschaffen hat. Andererseits, bringt man es zum Schrotthändler, so kann es zum Preis von fünf Pfennig als Eisen gekauft werden.
In gleicher Weise ist der Mensch ein einzigartiges Kunstwerk Gottes des Gerechten und das eleganteste, gnadenvolle Wunder Seiner Macht, da er den Menschen wie eine Welt im kleinen erschuf und ihn zur Verkörperung der Erscheinungen und Ornamente all Seiner Namen machte.
Wenn das Licht des Glaubens in ihn einströmt, können all diese bedeutsamen Ornamente in ihm entziffert werden. Ein Gläubiger entziffert sie im Bewusstsein seines Verstandes. Und in dieser seiner Beziehung lässt er sie entziffern. Das heißt, die göttliche Kunst, die im Menschenwesen enthalten ist, manifestiert sich selbst durch solche Aussagen wie: »Ich bin das Werk des Erhabenen Meisters, Sein Geschöpf und die Verkörperung Seines Mitleides und Seiner Freigiebigkeit.« Glaube besteht also in der Beziehung zum Meister, offenbart die gesamten Kunstwerke im Menschen. Insoweit die göttliche Kunst im Menschen sichtbar wird, bestimmt sie des Menschen Wert. Er entspricht dem Spiegelbild der Einzigartigkeit Gottes. So erhebt sich der Mensch aus seiner Bedeutungslosigkeit auf diese Weise über alle Geschöpfe zum Gesprächspartner Gottes und Gast des Herrn, würdig des Paradieses.
Wenn der Unglaube, der im Abbruch dieser Beziehung besteht, in den Menschen eingeht, sinken alle diese bedeutsamen Ornamente der Gottesnamen ins Dunkel, können nicht mehr entziffert werden. Denn wenn der Meister in Vergessenheit gerät, können auch die spirituellen Aspekte in ihrer Beziehung zum Meister nicht mehr verstanden werden. Es ist, als würde alles auf den Kopf gestellt. Viele bedeutsame und erhabene Künste und Ornamente des Geistes verbergen sich auf diese Weise. Ein Teil dessen, was übrig bleibt und mit den Augen wahrgenommen werden kann, wird geringfügigen Ursachen zugeschrieben, der Natur oder dem Zufall, verfällt schließlich. Obwohl jedes einzelne für sich ein funkelnder Diamant ist, erscheint es wie trübes Glas. Ihr Wert wird nur noch in der animalischen Substanz gesehen. Aber Ziel und Ergebnis dieser Substanz ist, wie gesagt, ein Leben von sehr kurzer Dauer zu führen, unerheblich, als das schwächste, hilfsbedürftigste und unglücklichste aller Tiere, und am Ende zu verfallen und zu verwesen. So ruiniert Unglaube das Wesen des Menschen und verwandelt einen Diamanten in Kohle.
Zweiter Punkt: Der Glaube ist in gewisser Weise ein Licht. Er erleuchtet den Menschen, lässt alle die oben aufgeführten Ewigen Briefe lesbar werden. Genauso erleuchtet er auch das Universum. Vergangene und zukünftige Zeiten werden aus der Dunkelheit errettet. Dies Geheimnis erklären wir durch ein Gleichnis, das ich in einer geistigen Schau in Bezug auf ein Geheimnis der Ehrwürdigen Ayah
»Allah ist der Freund der Gläubigen und führt sie aus der Finsternis in das Licht.« (Sure 2, 257)
gesehen habe. Es war dies wie folgt:
In einer Schau, die ich erlebte, sah ich: Zwei hohe Berge standen sich gegenüberâ?¦ zwischen ihnen war furchterregend eine Brücke gespannt. Unter der Brücke eine tief eingeschnittene Klammâ?¦ ich befand mich auf dieser Brücke. Und die Welt lag in dichter Finsternis - Dunkel ringsumher. Ich schaute nach rechts. In unendlicher Finsternis erblickte ich ein großen Grabmal, d.h. es tauchte aus meiner Phantasie auf. Ich schaute nach links. Es war, als erblickte ich riesige Stürme inmitten fürchterlicher Wellen von Finsternis, Unruhen und heraufziehende Katastrophen. Ich schaute von der Brücke hinunter. Ich meinte, einen sehr tiefen Abgrund zu erblicken. Gegen diese schreckliche Finsternis hatte ich nur eine schwache Taschenlampe. Ich schaltete sie ein, schaute mich in ihrem Zwielicht um. Eine ganz fürchterliche Situation tauchte vor mir auf. Ja, sogar vor mir auf dem Brückenkopf und darum herum wurden schreckliche Drachen, Löwen und Wölfe sichtbar. »Hätte ich doch diese Taschenlampe nicht bei mir gehabt! Ich hätte diese Schrecken nicht gesehen!« sagte ich mir. Wann immer ich auch meine Lampe irgendwohin richtete, überliefen mich von dort diese Schrecken. »Oh Gott«, sagte ich, »diese Lampe ist das Unglück über meinem Haupte!« Ich war auf sie böse. Ich schleuderte die Taschenlampe zu Boden, zerbrach sie. Als hätte ich mit ihrer Zerstörung den Schalter zur großen elektrischen Lampe der Beleuchtung der Welt bedient, wurde plötzlich die Finsternis vernichtet. Und alles wurde von dem Lichte dieses Scheinwerfers erfüllt. Die Wirklichkeit aller Dinge wurde mir gezeigt. Ich sah:
Die Brücke, welche ich erblickt hatte, war eine Straße durch eine Ebene in einer wohlgepflegten Gegend. Und ich bemerkte:
Das große Grabmal, das ich zu meiner Rechten gesehen hatte, war von Anfang an ein Versammlungsplatz für Anbetung, Gottesdienst, Gespräch und Gottesgedenken unter der Führung erleuchteter Menschen in einem schönen, grünen Garten gewesen. Und das, was ich zu meiner Linken für Bergesgipfel und Abgründe, erfüllt von Stürmen und Unruhen, gehalten hatte, erwies sich mir in meiner inneren Schau als ein gewaltiges Festmahl, ein schöner Park, ein erhabener Aufenthaltsort zur Erquickung der Seelen hinter schönen, lieblichen, reizvollen Bergen. Und ich sah, dass jene Geschöpfe, die ich für fürchterliche Wölfe und Drachen gehalten hatte, friedliche Haustiere waren wie Kamele, Rinder, Schafe und Ziegen.
»Aller Lobpreis und Dank sei Allah für das Licht des Glaubens.«
sagte ich, zitierte die Ayah:
»Allah ist der Freund der Gläubigen und führt sie aus der Finsternis in das Licht.« (Sure 2, 257)
Und so erwachte ich aus dem Gesicht, das ich erschaut hatte. So sind also diese beiden Berge Anfang und Ende des Lebensâ?¦ d.h. die irdische Welt und die Schattenwelt. Was die Brücke betrifft, so ist sie der Weg des Lebens. Ihre rechte Seite aber Vergangenheit, ihre Linke die Zukunft. Die Taschenlampe ist das menschliche Ego, das in seiner Selbstgefälligkeit dem eigenen Wissen vertraut und nicht auf die Offenbarung des Himmels hört. Was mir wie Wölfe erschien, sind die staunenswerten Gebilde und Ereignisse in der Schöpfung. Der Mensch also, der auf sein Ego vertraut, in finstere Gottvergessenheit gestürzt und dem Dunkel seiner Irreleitung verfallen, gleicht meinem ersten Zustand in dieser Schau, sieht die Vergangenheit in seiner, einer Taschenlampe entsprechenden mangelhaften und irrigen Kenntnis in Form eines riesigen Grabmals und dem Dunkel des Nichtseins. Die Zukunft erscheint ihm als Einöde, von fürchterlichen Stürmen durchtobt, abhängig vom Zufall. Jedes einzelne Ereignis und Geschöpf, welches doch ein gehorsamer Diener Gottes, des Weisen und des Barmherzigen ist, erweist sich ihm als Wolf, der ihm schaden will. Er erfährt sich als Gegenstand der Ayah:
»Die Ungläubigen sind die Freunde derer, die sich widersetzen und ihn aus dem Licht in die Finsternis führen.« (Sure 2, 257)
Erreicht ihn die Führung Allahs, tritt der Glaube in sein Herz ein, wird das pharaonische Ego
»Allah ist das Licht der Himmel und der Erde.« (Sure 24, 35)
zu entziffern. Dann ist die Vergangenheit kein riesiges Grabmal mehr für ihn, vielmehr sieht er mit den Augen des Herzens, wie die Gemeinschaft der reinen Seelen, nachdem sie unter der Führung eines Propheten oder Gottesfreundes eines jeden Jahrhunderts ihre Geschöpfespflicht erfüllt und ihre Aufgaben im Leben beendet haben, mit den Worten »Allahu Ekber« (Allah ist unvergleichlich groß) sich zu den erhabenen Stufen aufschwingen und auf die Seite der Zukunft hinüberwechseln. Zur linken Seite hinüberblickend, bemerkt er von weitem im Lichte des Glaubens in den Weingärten des Paradieses das Gastmahl der Barmherzigkeit, das in den Schlössern der Glückseligkeit bereitet ist, hinter manchen bergesgleichen Umwälzungen der Schattenwelt und des Jenseits Die Welt zwischen Tod und Auferstehung und die Welt nach dem Jüngsten Gericht. (A.d.Ü.) . Und er erkennt, dass Ereignisse wie Stürme, Beben und Seuchen jede für sich ein gehorsamer Diener sind. Er sieht, dass Frühlingsstürme und Regengüsse äußerlich zwar rauh und hart sein mögen, in Wirklichkeit aber eine Quelle mildester Weisheit sind. Und sogar den Tod sieht er als Beginn des ewigen Lebens, und das Grab als Tor zur Ewigen Seligkeit. Man mag sich die übrigen Aspekte selbst ausdeuten. Bringe die Wirklichkeit in Übereinstimmung mit dem Gleichnis!
Dritter Punkt: Der Glaube ist sowohl Licht als auch Kraft. Ja, derjenige, der den wahren Glauben in Händen hält, vermag der ganzen Welt Widerstand zu leisten und sich je nach der Stärke seines Glaubens vom Druck aller Geschehnisse zu befreien. »Ich vertraue auf Allah.«, sagt er und durchkreuzt mit dem Schiffe des Lebens in vollkommener Sicherheit die haushohen Wogen der Geschehnisse. Er vertraut all seine Last der mächtigen Hand der grenzenlosen Allmacht (Gottes), durchquert ruhig diese Welt, rastet im Zwischenreich. Danach vermag er sich in das Paradies aufzuschwingen, um in die Ewige Glückseligkeit einzugehen. Andererseits, wenn er die Last dieser Welt nicht Gott anvertraut, behindert sie nicht nur seinen Aufschwung, sondern zieht ihn zum Niedrigsten der Niedrigen herab. Das will besagen: Glaube (iman) führt zu Einheit (tauhid), Tauhid zu Hingabe (teslim), Teslim zu Vertrauen, Vertrauen zu Glückseligkeit in den beiden Welten (Diesseits und Jenseits) Das darf man jedoch nicht falsch verstehen! Vertrauen bedeutet nicht, die Ursachen vollständig außer Acht zu lassen. Es heißt vielmehr, die Ursachen hinter dem Schleier der Hand des Allmächtigen (Gottes) zu erkennen und anzuerkennen. Von den Ursachen auszugehen heißt, dies als eine Art tätigen Gebetes anzusehen, die Ergebnisse aber nur von Gott dem Gerechten zu erwarten, die Folgen als von Ihm kommend zu erkennen und Ihm dankbar zu sein. Als Beispiel für einen, der sich Gott anvertraut und einen, der dies nicht tut, steht folgendes Gleichnis:
Es waren einmal zwei Männer. Sie hatten sich Rücken und Kopf mit schweren Lasten beladen, eine Fahrkarte gelöst und ein großes Schiff bestiegen. Der eine stellt seine Last auf dem Schiff ab, sobald er es betreten hat und setzt sich darauf, um sie zu bewachen. Der andere, weil er sowohl dumm als auch stolz ist, stellt seine Last nicht ab. Jemand sagt zu ihm: »Überlass deine schwere Last dem Schiff und mache es dir bequem!« Er antwortet: »Nein, das tue ich nicht. Vielleicht kommt sie zu Schaden. Ich bin stark. Ich werde meinen Besitz auf meinem Rücken und auf meinem Kopf bewahren.« Noch einmal sagt jemand zu ihm: »Du bist auf diesem Schiff des Sultans in Sicherheit. Es ist stärker als du und trägt dich und uns. Es bewahrt noch besser, vielleicht wirst du, wenn dir schwindlig wird, mitsamt deiner Last ins Meer stürzen. Außerdem wird deine Stärke allmählich nachlassen. Dieser gebeugte Rücken, dieser Kopf ohne Verstand wird diese allmählich schwerer werdende Last nicht mehr tragen. Zudem wird der Kapitän, wenn er dich in diesem Zustand sieht, sagen, du seiest verrückt und dich vom Schiff weisen. Oder er wird sagen, du seist ein Verräter, der unser Schiff beleidigt und uns auslacht, und Befehl geben, dich einzusperren. Überdies hast du dich zum Narren gemacht. Du hast dich selbst zum Gespött gemacht mit deiner Eitelkeit, die dem Aufmerksamen deine Schwachheit offenbart, mit deinem Stolz, der deine Jämmerlichkeit zur Schau stellt, und mit deinem gekünstelten Verhalten, das deine Heuchelei und Nichtswürdigkeit entschleiert. Jeder lacht über dich.« Nachdem ihm dies gesagt worden war, kam der arme Kerl zur Besinnung. Er stellte seine Last ab, setzte sich darauf und sagte: »Oh, möge Gott Wohlgefallen an dir haben! Ich bin vor Mühsal, Gefangenschaft und Gespött bewahrt worden.«
Nun, oh Mensch, der du kein Vertrauen zu Gott hast! Komme auch du wie dieser Mann zur Besinnung! Vertraue auf Gott! Nur so wirst du vor der Bedrängnis in der Gefangenschaft des Diesseits bewahrt bleiben, davor, vor aller Welt ein Bettler zu sein, vor jedem Ereignis zu zittern, vor eitlem Ruhm und Spott, vor Qual im Jenseits.
Vierter Punkt: Glaube macht den Menschen zum Menschen. Sogar den Menschen zum Sultan (König). Wenn das so ist, dann ist des Menschen ursprüngliche Aufgabe der Glaube und das Gebet. Unglaube macht den Menschen zu einem völlig kraftlosen wilden Tier.
Unter tausenden Beweisen in dieser Streitfrage gibt alleine der Unterschied, wie Menschen und Tiere zur Welt kommen, einen klaren Beweis und ein sicheres Zeugnis dafür. Ja, der Unterschied, wie Menschen und Tiere zur Welt kommen, zeigt, dass Menschlichkeit durch Glaube Menschlichkeit ist. Denn in dem Augenblick, in dem ein Tier zur Welt kommt, ist es seinen Anlagen entsprechend vollkommen, so, als habe man es aus einer anderen Welt bereits vervollkommnet gesendet. In zwei Stunden oder zwei Tagen oder zwei Monaten lernt es alle seine Lebensbedingungen, seine Beziehungen zur Umwelt und die Gesetze des Lebens kennen und seine Anlagen zu gebrauchen. Wenn der Mensch die Fähigkeit, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen und einen Beruf auszuüben, in zwanzig Jahren erwirbt, erlangt sie ein Tier wie der Spatz oder die Bienen in zwanzig Tagen; es wird ihm gleichsam eingegeben.
Das heißt, die Hauptaufgabe eines Tieres besteht nicht darin, sich durch Lernen zu vervollkommnen und durch den Erwerb von Kenntnissen zu entwickeln und in seiner offensichtlichen Schwäche um Hilfe zu bitten oder zu beten. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, seinen Anlagen entsprechend zu handeln, tätig zu sein, in aktivem Dienst und in der Anbetung. Was den Menschen betrifft, so muss er, wenn er zur Welt kommt, alles lernen, und unkundig der Gesetze des Lebens vermag er seine Lebensumstände noch nicht einmal in zwanzig Jahren zur Gänze zu lernen und zu begreifen. Vielmehr muss er bis zum Ende seines Lebens lernen und vermag ferner - in einer so bescheidenen und schwachen Gestalt zur Welt gesandt - erst im Alter von ein, zwei Jahren sich auf die eigenen Füße zu stellen. Erst mit fünfzehn Jahren unterscheidet er Schaden und Nutzen. Und erst mit Hilfe der Gesellschaft erlangt er Vorteile und vermeidet Nachteile.
Das heißt, die natürliche Aufgabe des Menschen besteht darin, sich durch Lernen zu vervollkommnen, durch Gebet zu dienen und anzubeten. Nämlich: »Durch wessen Barmherzigkeit werde ich mit solcher Weisheit geleitet? Durch wessen Großmut werde ich mit solcher Güte erzogen? Wessen Wohlwollen ist es, durch das ich mit solch einem Feingefühl ernährt und versorgt werde?« Dies gilt es zu wissen, und der, welcher unter tausenden seiner Bedürfnisse nicht eines zu befriedigen vermag, sollte in der Sprache seiner Schwäche und Armut zu dem Herrn und Richter über seine Bedürfnisse zu flehen, zu Ihm bitten und beten, das heißt sich mit den Flügeln seiner Schwäche und Armut zu den höchsten Stufen des Dienens und der Anbetung emporschwingen.
Der Mensch ist in die Welt gekommen, um sich mit den Mitteln der Wissenschaft und des Gebetes zu vervollkommnen, entsprechend seinem Wesen und seinen Anlagen hängt alles von der Wissenschaft ab. Einer jeden wahren Wissenschaft Basis, Quelle, Licht und Geist ist die Erkenntnis Allahs und das Fundament dieser Basis ist der Glaube an Allah.
Da der Mensch in seiner grenzenlosen Schwäche grenzenlosen Plagen ausgesetzt und den Angriffen zahlloser Feinde ausgeliefert und bei seiner grenzenlosen Armut gleichzeitig in grenzenloser Not befangen ist und grenzenlose Wünsche zu befriedigen sucht, ist seine natürliche Hauptaufgabe nach dem Glauben das Gebet. Das Gebet ist aber die Grundlage von Dienst und Anbetung. Ein Kind, das einen Wunsch auf dem Herzen hat, den es nicht zu befriedigen vermag, sagt dies entweder oder weint, d.h. es äußert sich in der Sprache seiner Schwäche durch das Gebet seiner Handlungen oder in Worten. So verhilft es seinem Wunsch zum Erfolg. In gleicher Weise ist der Mensch unter allen Geschöpfen der Welt wie ein liebes, nettes und höfliches Kind. Entweder muss er vor dem Throne des Erbarmers, des Barmherzigen, in seiner Armseligkeit und Schwäche weinen, oder beten in seiner Armut und Not, damit ihm sein Wunsch erfüllt werde und er sich für die Erfüllung dankbar erweise. Anderenfalls ist er wie ein dummes und unartiges Kind, das sich vor einer Fliege fürchtet und sagt: »Ich unterwerfe diese nicht zu unterwerfenden seltsamen Dinge, die tausendfach stärker sind, meiner Macht, mache sie mir nach meinen Vorstellungen und mit meiner Geschicklichkeit dienstbar.« So verkehrt er in sei-ner Undankbarkeit die Grundnatur des Menschen ins Ge-genteil und zieht sich selbst eine fürchterliche Strafe zu.
Fünfter Punkt: Der Glaube erfordert das Gebet als unanfechtbares Fahrzeug, und die menschliche Natur verlangt es mit Macht. Auch erlässt Gott der Gerechte entsprechend der Frage die Verfügung: »Wenn ihr nicht betet, welchen Wert habt ihr dann noch?« und befiehlt:
»Sprich: Mein Herr würde sich nicht um dich kümmern, wäre es nicht um deines Gebetes willen.« (Sure 25, 77)
»Rufe mich an! Ich werde dir antworten.« (Sure 40, 60)
Wenn du sagst: »Wir beten oft, aber unsere Gebete werden nicht angenommen. Die Ayah gilt jedoch allgemein und besagt, dass es für jedes Gebet eine Antwort gibt.«
So lautet die Antwort: Auf das Gebet zu antworten ist das eine, es anzunehmen das andere. Es gibt für jedes Gebet eine Antwort. Aber es anzunehmen und genau das Verlangte zu geben hängt von der Weisheit Gottes des Gerechten ab. Zum Beispiel: Ein krankes Kind ruft: »Herr Doktor, schauen Sie mal her!« Der Arzt: »Ja, bitte, was möchtest du?« Das Kind: »Geben Sie mir diese Medizin!« Der Arzt wird ihm entweder geben, was es verlangt hat, oder er wird ihm in diesem Falle etwas Besseres geben, oder er wird es ihm, wenn es zur Verschlimmerung der Krankheit führen würde, nicht geben. Darum beantwortet Gott der Gerechte, der vollkommene Allweise, der Allschauende, immer Gegenwärtige, das Gebet Seiner Diener und Anbeter. Er verwandelt die Schrecken der Einöde und Menschenleere durch Seine stete Bereitschaft zu antworten in Vertrautheit. Aber Er gibt dem Menschen nicht, was dessen Lust und Laune gebietet, sondern so, wie es die Weisheit des Herrn erfordert: entweder, was er verlangt hat, oder etwas Besseres oder nichts.
Weiter ist das Gebet Dienst und Anbetung. Dienst und Anbetung aber trägt seine Frucht im Jenseits. Weltliche Gründe bestimmen die Zeit für eine Art des Gebetes und der Anbetung. Diese Gründe sind nicht dessen Ziel. Zum Beispiel: Das freie und das rituelle Gebet um den Regen ist eine Anbetung. Die Zeit der Dürre ist die Zeit dieser Anbetung. Andererseits sind Gebet und Anbetung nicht dazu da, den Regen herabzuziehen. Bestünde ihre Absicht allein darin, wäre das Gebet nicht rein und aufrichtig und verdiente es nicht, angenommen zu werden. So ist die Zeit des Sonnenunterganges die Zeit für das Abendgebet. So ist die Zeit der Sonnen- und Mondfinsternis bestimmt für zwei rituelle Gebete, »kusuf« und »husuf« genannt. Weil nämlich die Verfinsterungen des Tages- und Nachtgestirns auf eine Art die Größe Gottes sichtbar zu machen dienen, lädt Gott der Gerechte Seinen Diener zu dieser Zeit zu einer Art Anbetung ein. Andererseits dient das Gebet (namaz) nicht dazu, die Verfinsterung von Sonne und Mond aufzuheben, deren Beginn und Ende durch astronomische Berechnungen ermittelt werden kann. Das gleiche gilt auch während einer Dürreperiode für das Gebet um Regen.
Während eines Unglückszustandes oder drohender Gefahr ist die Zeit für einige besondere Gebete, weil der Mensch zu dieser Zeit seine Schwäche begreift und in Gebet und Fürbitte zum Throne des Grenzenlos-Allmächtigen Zuflucht nimmt. Wenn trotz aller Gebete ein Unglückszustand nicht enden will, darf man nicht sagen: »Das Gebet wurde nicht erhört.« Vielmehr muss man sagen: »Die Zeit zu beten ist noch nicht vorüber.« Wenn Gott der Gerechte in Seiner Gnade und Freigiebigkeit einen Unglückszustand beendet, Licht über Lichtâ?¦ dann ist die Zeit für das Gebet zum Ende gekommen, vorübergegangen. So ist das Gebet ein Geheimnis des Dienstes und der Anbetung.
Dienst und Anbetung dient aber allein dazu, »das Antlitz Allahs« zu schauen. Man muss vor Ihm allein seine Schwäche offen legen, zu Ihm allein seine Zuflucht nehmen. An Seiner Herrschaft soll der Mensch keinen Anteil zu nehmen versuchen. Ihm soll er die Vorsorge überlassen. Seiner Weisheit soll er vertrauen. An Seiner Barmherzigkeit darf er nicht zweifeln. Ja, es steht in der Tat durch die Klarlegung der »klaren Zeichen« fest: Von allen Wesen preist Ihn jedes in seiner Art, betet zu Ihm jedes auf seine Weise, hat jedes seine Form, sich vor Ihm niederzuwerfen; so ist alles, was von der ganzen Welt zum Throne Gottes aufsteigt, ein Gebet. Dies geschieht entweder als Ausdruck der Entwicklungsfähigkeit - wie die Gebete aller Pflanzen und Tiere, die - jede für sich - aus der grenzenlosen Fülle (Gottes) eine Gestalt erheischen, um als ein Ausdruck der Namen (Gottes) geoffenbart zu werden - oder in der Sprache der naturgegebenen Bedürfnisse [Die Gebete aller Lebewesen in ihren zwingenden Bedürfnissen, die zu befriedigen nicht in ihrer Macht steht, die - jedes für sich - in der Sprache ihrer naturgegebenen Bedürfnisse von der grenzenlosen Freigiebigkeit (Gottes) zur Erhaltung ihres Lebens etwas zu ihrer Versorgung erheischen] oder als Ausdruck einer Notlage. (Jedes beseelte Wesen betet in einer Notlage inständig und nimmt zu seinem unsichtbaren Schutzherrn Zufluchtâ?¦ vielmehr wendet es sein Antlitz dem Herrn der Barmherzigkeit zu.) Diese drei Arten des Gebetes werden immer angenommen, wenn kein Hindernis dazwischen liegt.
Die vierte Art ist die bekannteste: unser Gebet. Es gibt zwei Arten. Die erste durch Tat und Verhalten, die zweite mit Herz und Mund. Zum Beispiel: Wenn man von den Ursachen ausgeht, ist es ein Gebet der Tat. Es genügt nicht, wenn bestimmte Umstände zusammentreffen, um das Ergebnis hervorzubringen; es handelt sich vielmehr darum, jene Haltung einzunehmen, mit der Gott der Gerechte zufrieden ist, wenn man in der Sprache des Verhaltens ein Ergebnis wünscht. Zu pflügen bedeutet also, an die Pforte der Schatzkammer der Barmherzigkeit zu klopfen. Diese Art, durch die Tat zu beten, erreicht meistens ihre Annahme, weil sie sich an Name und Attribut des Grenzenlos-Freigiebigen (Gottes) richtet. Die zweite Art zu beten ist mit Herz und Mund; darum zu bitten, etwas zu erlangen, was die Hände nicht erreichen können. Davon ist der bedeutendste Gesichtspunkt, das schönste Ziel und die süßeste Frucht diese: »Ein Mensch, der betet, begreift, dass es jemanden gibt, der zu erlauschen vermag, was sein Herz bewegt, dessen Hand alles erreichen kann, der jeden seiner Wünsche zu erfüllen weißâ?¦ der Mitleid mit der Schwäche hat, ihm in seiner Armseligkeit zu Hilfe kommt.«
Nun also, oh du schwacher Mensch! Du armseliges Geschöpf! Lass nicht deinen Händen entgleiten, was - wie das Gebet - der Schlüssel ist zur Schatzkammer der Barmherzigkeit und ein Angelpunkt grenzenloser Kraft. Ergreife ihn, steige auf zur höchsten Höhe der Menschlichkeit; wie ein König nimm die Gebete der ganzen Welt auf in dein eigenes Gebet. Sage wie ein universeller Diener, wie ein Generalvertreter:
»Dich allein bitten wir um Hilfe.« (Sure 1, 4)
Sei ein schönes Beispiel für die ganze Welt!
[h=3]Diese Abhandlung besteht aus zwei Kapiteln.[/h]
»Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen. Wahrhaftig, Wir haben den Menschen erschaffen und ihm den höchsten Wert verliehen; dann erniedrigten Wir ihn zum Geringsten aller Geringen, ausgenommen diejenigen, die glauben und gute Werke tun.« (Sure 95, 4-6)
1. Kapitel2. Kapitel
[h=1]Erstes Kapitel[/h]
In den folgenden fünf Punkten werden wir nur fünf Werte des Glaubens unter tausenden erklären.
Erster Punkt: Durch das Licht des Glaubens steigt der Mensch zur höchsten Höhe auf und erreicht einen Wert, der ihn für das Paradies qualifiziert. In der Dunkelheit des Unglaubens steigt er hinab zum Niedrigsten der Niedrigen und nimmt eine Form an, die ihn für die Hölle geeignet macht. Denn Glaube ist eine Beziehung, die den Menschen mit seinem erhabenen Meister verbindet. Der Wert des Menschen entsteht aus der göttlichen Kunst und den Ornamenten der Gottesnamen, die an ihm im Lichte des Glaubens beobachtet werden. Unglaube trennt diese Verbindung, sodass die Kunst des Herrn nicht mehr sichtbar ist und der Wert des Menschen reduziert wird auf den Preis seiner bloßen physischen Existenz, wobei diese physische Existenz des Menschen fast keinen Wert hat, denn sie besteht nur aus einem zeitlichen, vergänglichen und sterblichen tierischen Leben. Wir werden dies durch einen Vergleich erklären.
Auch bei den von Menschenhand geschaffenen Kunstwerken unterscheidet sich der Materialwert vom Kunstwert. Zuweilen können beide wie gleich erscheinen, zuweilen kann der Materialwert höher als der Kunstwert sein. Zuweilen geschieht es auch, dass man bei einem Materialwert von fünf Pfennig, zum Beispiel für Eisen, ein Kunstwerk im Werte von fünf Pfund entdeckt. Ja, zuweilen können Antiquitäten Millionen wert sein während ihr Materialwert kaum fünf Pfennig beträgt. Bringt man solch ein antikes Kunstwerk zu einer Antiquitätenmesse, kann es für eine Million verkauft werden, wenn man es als Werk eines alten Meisters ausstellt, wenn man dabei diesen begnadeten Künstler erwähnt, der es geschaffen hat. Andererseits, bringt man es zum Schrotthändler, so kann es zum Preis von fünf Pfennig als Eisen gekauft werden.
In gleicher Weise ist der Mensch ein einzigartiges Kunstwerk Gottes des Gerechten und das eleganteste, gnadenvolle Wunder Seiner Macht, da er den Menschen wie eine Welt im kleinen erschuf und ihn zur Verkörperung der Erscheinungen und Ornamente all Seiner Namen machte.
Wenn das Licht des Glaubens in ihn einströmt, können all diese bedeutsamen Ornamente in ihm entziffert werden. Ein Gläubiger entziffert sie im Bewusstsein seines Verstandes. Und in dieser seiner Beziehung lässt er sie entziffern. Das heißt, die göttliche Kunst, die im Menschenwesen enthalten ist, manifestiert sich selbst durch solche Aussagen wie: »Ich bin das Werk des Erhabenen Meisters, Sein Geschöpf und die Verkörperung Seines Mitleides und Seiner Freigiebigkeit.« Glaube besteht also in der Beziehung zum Meister, offenbart die gesamten Kunstwerke im Menschen. Insoweit die göttliche Kunst im Menschen sichtbar wird, bestimmt sie des Menschen Wert. Er entspricht dem Spiegelbild der Einzigartigkeit Gottes. So erhebt sich der Mensch aus seiner Bedeutungslosigkeit auf diese Weise über alle Geschöpfe zum Gesprächspartner Gottes und Gast des Herrn, würdig des Paradieses.
Wenn der Unglaube, der im Abbruch dieser Beziehung besteht, in den Menschen eingeht, sinken alle diese bedeutsamen Ornamente der Gottesnamen ins Dunkel, können nicht mehr entziffert werden. Denn wenn der Meister in Vergessenheit gerät, können auch die spirituellen Aspekte in ihrer Beziehung zum Meister nicht mehr verstanden werden. Es ist, als würde alles auf den Kopf gestellt. Viele bedeutsame und erhabene Künste und Ornamente des Geistes verbergen sich auf diese Weise. Ein Teil dessen, was übrig bleibt und mit den Augen wahrgenommen werden kann, wird geringfügigen Ursachen zugeschrieben, der Natur oder dem Zufall, verfällt schließlich. Obwohl jedes einzelne für sich ein funkelnder Diamant ist, erscheint es wie trübes Glas. Ihr Wert wird nur noch in der animalischen Substanz gesehen. Aber Ziel und Ergebnis dieser Substanz ist, wie gesagt, ein Leben von sehr kurzer Dauer zu führen, unerheblich, als das schwächste, hilfsbedürftigste und unglücklichste aller Tiere, und am Ende zu verfallen und zu verwesen. So ruiniert Unglaube das Wesen des Menschen und verwandelt einen Diamanten in Kohle.
Zweiter Punkt: Der Glaube ist in gewisser Weise ein Licht. Er erleuchtet den Menschen, lässt alle die oben aufgeführten Ewigen Briefe lesbar werden. Genauso erleuchtet er auch das Universum. Vergangene und zukünftige Zeiten werden aus der Dunkelheit errettet. Dies Geheimnis erklären wir durch ein Gleichnis, das ich in einer geistigen Schau in Bezug auf ein Geheimnis der Ehrwürdigen Ayah
»Allah ist der Freund der Gläubigen und führt sie aus der Finsternis in das Licht.« (Sure 2, 257)
gesehen habe. Es war dies wie folgt:
In einer Schau, die ich erlebte, sah ich: Zwei hohe Berge standen sich gegenüberâ?¦ zwischen ihnen war furchterregend eine Brücke gespannt. Unter der Brücke eine tief eingeschnittene Klammâ?¦ ich befand mich auf dieser Brücke. Und die Welt lag in dichter Finsternis - Dunkel ringsumher. Ich schaute nach rechts. In unendlicher Finsternis erblickte ich ein großen Grabmal, d.h. es tauchte aus meiner Phantasie auf. Ich schaute nach links. Es war, als erblickte ich riesige Stürme inmitten fürchterlicher Wellen von Finsternis, Unruhen und heraufziehende Katastrophen. Ich schaute von der Brücke hinunter. Ich meinte, einen sehr tiefen Abgrund zu erblicken. Gegen diese schreckliche Finsternis hatte ich nur eine schwache Taschenlampe. Ich schaltete sie ein, schaute mich in ihrem Zwielicht um. Eine ganz fürchterliche Situation tauchte vor mir auf. Ja, sogar vor mir auf dem Brückenkopf und darum herum wurden schreckliche Drachen, Löwen und Wölfe sichtbar. »Hätte ich doch diese Taschenlampe nicht bei mir gehabt! Ich hätte diese Schrecken nicht gesehen!« sagte ich mir. Wann immer ich auch meine Lampe irgendwohin richtete, überliefen mich von dort diese Schrecken. »Oh Gott«, sagte ich, »diese Lampe ist das Unglück über meinem Haupte!« Ich war auf sie böse. Ich schleuderte die Taschenlampe zu Boden, zerbrach sie. Als hätte ich mit ihrer Zerstörung den Schalter zur großen elektrischen Lampe der Beleuchtung der Welt bedient, wurde plötzlich die Finsternis vernichtet. Und alles wurde von dem Lichte dieses Scheinwerfers erfüllt. Die Wirklichkeit aller Dinge wurde mir gezeigt. Ich sah:
Die Brücke, welche ich erblickt hatte, war eine Straße durch eine Ebene in einer wohlgepflegten Gegend. Und ich bemerkte:
Das große Grabmal, das ich zu meiner Rechten gesehen hatte, war von Anfang an ein Versammlungsplatz für Anbetung, Gottesdienst, Gespräch und Gottesgedenken unter der Führung erleuchteter Menschen in einem schönen, grünen Garten gewesen. Und das, was ich zu meiner Linken für Bergesgipfel und Abgründe, erfüllt von Stürmen und Unruhen, gehalten hatte, erwies sich mir in meiner inneren Schau als ein gewaltiges Festmahl, ein schöner Park, ein erhabener Aufenthaltsort zur Erquickung der Seelen hinter schönen, lieblichen, reizvollen Bergen. Und ich sah, dass jene Geschöpfe, die ich für fürchterliche Wölfe und Drachen gehalten hatte, friedliche Haustiere waren wie Kamele, Rinder, Schafe und Ziegen.
»Aller Lobpreis und Dank sei Allah für das Licht des Glaubens.«
sagte ich, zitierte die Ayah:
»Allah ist der Freund der Gläubigen und führt sie aus der Finsternis in das Licht.« (Sure 2, 257)
Und so erwachte ich aus dem Gesicht, das ich erschaut hatte. So sind also diese beiden Berge Anfang und Ende des Lebensâ?¦ d.h. die irdische Welt und die Schattenwelt. Was die Brücke betrifft, so ist sie der Weg des Lebens. Ihre rechte Seite aber Vergangenheit, ihre Linke die Zukunft. Die Taschenlampe ist das menschliche Ego, das in seiner Selbstgefälligkeit dem eigenen Wissen vertraut und nicht auf die Offenbarung des Himmels hört. Was mir wie Wölfe erschien, sind die staunenswerten Gebilde und Ereignisse in der Schöpfung. Der Mensch also, der auf sein Ego vertraut, in finstere Gottvergessenheit gestürzt und dem Dunkel seiner Irreleitung verfallen, gleicht meinem ersten Zustand in dieser Schau, sieht die Vergangenheit in seiner, einer Taschenlampe entsprechenden mangelhaften und irrigen Kenntnis in Form eines riesigen Grabmals und dem Dunkel des Nichtseins. Die Zukunft erscheint ihm als Einöde, von fürchterlichen Stürmen durchtobt, abhängig vom Zufall. Jedes einzelne Ereignis und Geschöpf, welches doch ein gehorsamer Diener Gottes, des Weisen und des Barmherzigen ist, erweist sich ihm als Wolf, der ihm schaden will. Er erfährt sich als Gegenstand der Ayah:
»Die Ungläubigen sind die Freunde derer, die sich widersetzen und ihn aus dem Licht in die Finsternis führen.« (Sure 2, 257)
Erreicht ihn die Führung Allahs, tritt der Glaube in sein Herz ein, wird das pharaonische Ego
»Allah ist das Licht der Himmel und der Erde.« (Sure 24, 35)
zu entziffern. Dann ist die Vergangenheit kein riesiges Grabmal mehr für ihn, vielmehr sieht er mit den Augen des Herzens, wie die Gemeinschaft der reinen Seelen, nachdem sie unter der Führung eines Propheten oder Gottesfreundes eines jeden Jahrhunderts ihre Geschöpfespflicht erfüllt und ihre Aufgaben im Leben beendet haben, mit den Worten »Allahu Ekber« (Allah ist unvergleichlich groß) sich zu den erhabenen Stufen aufschwingen und auf die Seite der Zukunft hinüberwechseln. Zur linken Seite hinüberblickend, bemerkt er von weitem im Lichte des Glaubens in den Weingärten des Paradieses das Gastmahl der Barmherzigkeit, das in den Schlössern der Glückseligkeit bereitet ist, hinter manchen bergesgleichen Umwälzungen der Schattenwelt und des Jenseits Die Welt zwischen Tod und Auferstehung und die Welt nach dem Jüngsten Gericht. (A.d.Ü.) . Und er erkennt, dass Ereignisse wie Stürme, Beben und Seuchen jede für sich ein gehorsamer Diener sind. Er sieht, dass Frühlingsstürme und Regengüsse äußerlich zwar rauh und hart sein mögen, in Wirklichkeit aber eine Quelle mildester Weisheit sind. Und sogar den Tod sieht er als Beginn des ewigen Lebens, und das Grab als Tor zur Ewigen Seligkeit. Man mag sich die übrigen Aspekte selbst ausdeuten. Bringe die Wirklichkeit in Übereinstimmung mit dem Gleichnis!
Dritter Punkt: Der Glaube ist sowohl Licht als auch Kraft. Ja, derjenige, der den wahren Glauben in Händen hält, vermag der ganzen Welt Widerstand zu leisten und sich je nach der Stärke seines Glaubens vom Druck aller Geschehnisse zu befreien. »Ich vertraue auf Allah.«, sagt er und durchkreuzt mit dem Schiffe des Lebens in vollkommener Sicherheit die haushohen Wogen der Geschehnisse. Er vertraut all seine Last der mächtigen Hand der grenzenlosen Allmacht (Gottes), durchquert ruhig diese Welt, rastet im Zwischenreich. Danach vermag er sich in das Paradies aufzuschwingen, um in die Ewige Glückseligkeit einzugehen. Andererseits, wenn er die Last dieser Welt nicht Gott anvertraut, behindert sie nicht nur seinen Aufschwung, sondern zieht ihn zum Niedrigsten der Niedrigen herab. Das will besagen: Glaube (iman) führt zu Einheit (tauhid), Tauhid zu Hingabe (teslim), Teslim zu Vertrauen, Vertrauen zu Glückseligkeit in den beiden Welten (Diesseits und Jenseits) Das darf man jedoch nicht falsch verstehen! Vertrauen bedeutet nicht, die Ursachen vollständig außer Acht zu lassen. Es heißt vielmehr, die Ursachen hinter dem Schleier der Hand des Allmächtigen (Gottes) zu erkennen und anzuerkennen. Von den Ursachen auszugehen heißt, dies als eine Art tätigen Gebetes anzusehen, die Ergebnisse aber nur von Gott dem Gerechten zu erwarten, die Folgen als von Ihm kommend zu erkennen und Ihm dankbar zu sein. Als Beispiel für einen, der sich Gott anvertraut und einen, der dies nicht tut, steht folgendes Gleichnis:
Es waren einmal zwei Männer. Sie hatten sich Rücken und Kopf mit schweren Lasten beladen, eine Fahrkarte gelöst und ein großes Schiff bestiegen. Der eine stellt seine Last auf dem Schiff ab, sobald er es betreten hat und setzt sich darauf, um sie zu bewachen. Der andere, weil er sowohl dumm als auch stolz ist, stellt seine Last nicht ab. Jemand sagt zu ihm: »Überlass deine schwere Last dem Schiff und mache es dir bequem!« Er antwortet: »Nein, das tue ich nicht. Vielleicht kommt sie zu Schaden. Ich bin stark. Ich werde meinen Besitz auf meinem Rücken und auf meinem Kopf bewahren.« Noch einmal sagt jemand zu ihm: »Du bist auf diesem Schiff des Sultans in Sicherheit. Es ist stärker als du und trägt dich und uns. Es bewahrt noch besser, vielleicht wirst du, wenn dir schwindlig wird, mitsamt deiner Last ins Meer stürzen. Außerdem wird deine Stärke allmählich nachlassen. Dieser gebeugte Rücken, dieser Kopf ohne Verstand wird diese allmählich schwerer werdende Last nicht mehr tragen. Zudem wird der Kapitän, wenn er dich in diesem Zustand sieht, sagen, du seiest verrückt und dich vom Schiff weisen. Oder er wird sagen, du seist ein Verräter, der unser Schiff beleidigt und uns auslacht, und Befehl geben, dich einzusperren. Überdies hast du dich zum Narren gemacht. Du hast dich selbst zum Gespött gemacht mit deiner Eitelkeit, die dem Aufmerksamen deine Schwachheit offenbart, mit deinem Stolz, der deine Jämmerlichkeit zur Schau stellt, und mit deinem gekünstelten Verhalten, das deine Heuchelei und Nichtswürdigkeit entschleiert. Jeder lacht über dich.« Nachdem ihm dies gesagt worden war, kam der arme Kerl zur Besinnung. Er stellte seine Last ab, setzte sich darauf und sagte: »Oh, möge Gott Wohlgefallen an dir haben! Ich bin vor Mühsal, Gefangenschaft und Gespött bewahrt worden.«
Nun, oh Mensch, der du kein Vertrauen zu Gott hast! Komme auch du wie dieser Mann zur Besinnung! Vertraue auf Gott! Nur so wirst du vor der Bedrängnis in der Gefangenschaft des Diesseits bewahrt bleiben, davor, vor aller Welt ein Bettler zu sein, vor jedem Ereignis zu zittern, vor eitlem Ruhm und Spott, vor Qual im Jenseits.
Vierter Punkt: Glaube macht den Menschen zum Menschen. Sogar den Menschen zum Sultan (König). Wenn das so ist, dann ist des Menschen ursprüngliche Aufgabe der Glaube und das Gebet. Unglaube macht den Menschen zu einem völlig kraftlosen wilden Tier.
Unter tausenden Beweisen in dieser Streitfrage gibt alleine der Unterschied, wie Menschen und Tiere zur Welt kommen, einen klaren Beweis und ein sicheres Zeugnis dafür. Ja, der Unterschied, wie Menschen und Tiere zur Welt kommen, zeigt, dass Menschlichkeit durch Glaube Menschlichkeit ist. Denn in dem Augenblick, in dem ein Tier zur Welt kommt, ist es seinen Anlagen entsprechend vollkommen, so, als habe man es aus einer anderen Welt bereits vervollkommnet gesendet. In zwei Stunden oder zwei Tagen oder zwei Monaten lernt es alle seine Lebensbedingungen, seine Beziehungen zur Umwelt und die Gesetze des Lebens kennen und seine Anlagen zu gebrauchen. Wenn der Mensch die Fähigkeit, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen und einen Beruf auszuüben, in zwanzig Jahren erwirbt, erlangt sie ein Tier wie der Spatz oder die Bienen in zwanzig Tagen; es wird ihm gleichsam eingegeben.
Das heißt, die Hauptaufgabe eines Tieres besteht nicht darin, sich durch Lernen zu vervollkommnen und durch den Erwerb von Kenntnissen zu entwickeln und in seiner offensichtlichen Schwäche um Hilfe zu bitten oder zu beten. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, seinen Anlagen entsprechend zu handeln, tätig zu sein, in aktivem Dienst und in der Anbetung. Was den Menschen betrifft, so muss er, wenn er zur Welt kommt, alles lernen, und unkundig der Gesetze des Lebens vermag er seine Lebensumstände noch nicht einmal in zwanzig Jahren zur Gänze zu lernen und zu begreifen. Vielmehr muss er bis zum Ende seines Lebens lernen und vermag ferner - in einer so bescheidenen und schwachen Gestalt zur Welt gesandt - erst im Alter von ein, zwei Jahren sich auf die eigenen Füße zu stellen. Erst mit fünfzehn Jahren unterscheidet er Schaden und Nutzen. Und erst mit Hilfe der Gesellschaft erlangt er Vorteile und vermeidet Nachteile.
Das heißt, die natürliche Aufgabe des Menschen besteht darin, sich durch Lernen zu vervollkommnen, durch Gebet zu dienen und anzubeten. Nämlich: »Durch wessen Barmherzigkeit werde ich mit solcher Weisheit geleitet? Durch wessen Großmut werde ich mit solcher Güte erzogen? Wessen Wohlwollen ist es, durch das ich mit solch einem Feingefühl ernährt und versorgt werde?« Dies gilt es zu wissen, und der, welcher unter tausenden seiner Bedürfnisse nicht eines zu befriedigen vermag, sollte in der Sprache seiner Schwäche und Armut zu dem Herrn und Richter über seine Bedürfnisse zu flehen, zu Ihm bitten und beten, das heißt sich mit den Flügeln seiner Schwäche und Armut zu den höchsten Stufen des Dienens und der Anbetung emporschwingen.
Der Mensch ist in die Welt gekommen, um sich mit den Mitteln der Wissenschaft und des Gebetes zu vervollkommnen, entsprechend seinem Wesen und seinen Anlagen hängt alles von der Wissenschaft ab. Einer jeden wahren Wissenschaft Basis, Quelle, Licht und Geist ist die Erkenntnis Allahs und das Fundament dieser Basis ist der Glaube an Allah.
Da der Mensch in seiner grenzenlosen Schwäche grenzenlosen Plagen ausgesetzt und den Angriffen zahlloser Feinde ausgeliefert und bei seiner grenzenlosen Armut gleichzeitig in grenzenloser Not befangen ist und grenzenlose Wünsche zu befriedigen sucht, ist seine natürliche Hauptaufgabe nach dem Glauben das Gebet. Das Gebet ist aber die Grundlage von Dienst und Anbetung. Ein Kind, das einen Wunsch auf dem Herzen hat, den es nicht zu befriedigen vermag, sagt dies entweder oder weint, d.h. es äußert sich in der Sprache seiner Schwäche durch das Gebet seiner Handlungen oder in Worten. So verhilft es seinem Wunsch zum Erfolg. In gleicher Weise ist der Mensch unter allen Geschöpfen der Welt wie ein liebes, nettes und höfliches Kind. Entweder muss er vor dem Throne des Erbarmers, des Barmherzigen, in seiner Armseligkeit und Schwäche weinen, oder beten in seiner Armut und Not, damit ihm sein Wunsch erfüllt werde und er sich für die Erfüllung dankbar erweise. Anderenfalls ist er wie ein dummes und unartiges Kind, das sich vor einer Fliege fürchtet und sagt: »Ich unterwerfe diese nicht zu unterwerfenden seltsamen Dinge, die tausendfach stärker sind, meiner Macht, mache sie mir nach meinen Vorstellungen und mit meiner Geschicklichkeit dienstbar.« So verkehrt er in sei-ner Undankbarkeit die Grundnatur des Menschen ins Ge-genteil und zieht sich selbst eine fürchterliche Strafe zu.
Fünfter Punkt: Der Glaube erfordert das Gebet als unanfechtbares Fahrzeug, und die menschliche Natur verlangt es mit Macht. Auch erlässt Gott der Gerechte entsprechend der Frage die Verfügung: »Wenn ihr nicht betet, welchen Wert habt ihr dann noch?« und befiehlt:
»Sprich: Mein Herr würde sich nicht um dich kümmern, wäre es nicht um deines Gebetes willen.« (Sure 25, 77)
»Rufe mich an! Ich werde dir antworten.« (Sure 40, 60)
Wenn du sagst: »Wir beten oft, aber unsere Gebete werden nicht angenommen. Die Ayah gilt jedoch allgemein und besagt, dass es für jedes Gebet eine Antwort gibt.«
So lautet die Antwort: Auf das Gebet zu antworten ist das eine, es anzunehmen das andere. Es gibt für jedes Gebet eine Antwort. Aber es anzunehmen und genau das Verlangte zu geben hängt von der Weisheit Gottes des Gerechten ab. Zum Beispiel: Ein krankes Kind ruft: »Herr Doktor, schauen Sie mal her!« Der Arzt: »Ja, bitte, was möchtest du?« Das Kind: »Geben Sie mir diese Medizin!« Der Arzt wird ihm entweder geben, was es verlangt hat, oder er wird ihm in diesem Falle etwas Besseres geben, oder er wird es ihm, wenn es zur Verschlimmerung der Krankheit führen würde, nicht geben. Darum beantwortet Gott der Gerechte, der vollkommene Allweise, der Allschauende, immer Gegenwärtige, das Gebet Seiner Diener und Anbeter. Er verwandelt die Schrecken der Einöde und Menschenleere durch Seine stete Bereitschaft zu antworten in Vertrautheit. Aber Er gibt dem Menschen nicht, was dessen Lust und Laune gebietet, sondern so, wie es die Weisheit des Herrn erfordert: entweder, was er verlangt hat, oder etwas Besseres oder nichts.
Weiter ist das Gebet Dienst und Anbetung. Dienst und Anbetung aber trägt seine Frucht im Jenseits. Weltliche Gründe bestimmen die Zeit für eine Art des Gebetes und der Anbetung. Diese Gründe sind nicht dessen Ziel. Zum Beispiel: Das freie und das rituelle Gebet um den Regen ist eine Anbetung. Die Zeit der Dürre ist die Zeit dieser Anbetung. Andererseits sind Gebet und Anbetung nicht dazu da, den Regen herabzuziehen. Bestünde ihre Absicht allein darin, wäre das Gebet nicht rein und aufrichtig und verdiente es nicht, angenommen zu werden. So ist die Zeit des Sonnenunterganges die Zeit für das Abendgebet. So ist die Zeit der Sonnen- und Mondfinsternis bestimmt für zwei rituelle Gebete, »kusuf« und »husuf« genannt. Weil nämlich die Verfinsterungen des Tages- und Nachtgestirns auf eine Art die Größe Gottes sichtbar zu machen dienen, lädt Gott der Gerechte Seinen Diener zu dieser Zeit zu einer Art Anbetung ein. Andererseits dient das Gebet (namaz) nicht dazu, die Verfinsterung von Sonne und Mond aufzuheben, deren Beginn und Ende durch astronomische Berechnungen ermittelt werden kann. Das gleiche gilt auch während einer Dürreperiode für das Gebet um Regen.
Während eines Unglückszustandes oder drohender Gefahr ist die Zeit für einige besondere Gebete, weil der Mensch zu dieser Zeit seine Schwäche begreift und in Gebet und Fürbitte zum Throne des Grenzenlos-Allmächtigen Zuflucht nimmt. Wenn trotz aller Gebete ein Unglückszustand nicht enden will, darf man nicht sagen: »Das Gebet wurde nicht erhört.« Vielmehr muss man sagen: »Die Zeit zu beten ist noch nicht vorüber.« Wenn Gott der Gerechte in Seiner Gnade und Freigiebigkeit einen Unglückszustand beendet, Licht über Lichtâ?¦ dann ist die Zeit für das Gebet zum Ende gekommen, vorübergegangen. So ist das Gebet ein Geheimnis des Dienstes und der Anbetung.
Dienst und Anbetung dient aber allein dazu, »das Antlitz Allahs« zu schauen. Man muss vor Ihm allein seine Schwäche offen legen, zu Ihm allein seine Zuflucht nehmen. An Seiner Herrschaft soll der Mensch keinen Anteil zu nehmen versuchen. Ihm soll er die Vorsorge überlassen. Seiner Weisheit soll er vertrauen. An Seiner Barmherzigkeit darf er nicht zweifeln. Ja, es steht in der Tat durch die Klarlegung der »klaren Zeichen« fest: Von allen Wesen preist Ihn jedes in seiner Art, betet zu Ihm jedes auf seine Weise, hat jedes seine Form, sich vor Ihm niederzuwerfen; so ist alles, was von der ganzen Welt zum Throne Gottes aufsteigt, ein Gebet. Dies geschieht entweder als Ausdruck der Entwicklungsfähigkeit - wie die Gebete aller Pflanzen und Tiere, die - jede für sich - aus der grenzenlosen Fülle (Gottes) eine Gestalt erheischen, um als ein Ausdruck der Namen (Gottes) geoffenbart zu werden - oder in der Sprache der naturgegebenen Bedürfnisse [Die Gebete aller Lebewesen in ihren zwingenden Bedürfnissen, die zu befriedigen nicht in ihrer Macht steht, die - jedes für sich - in der Sprache ihrer naturgegebenen Bedürfnisse von der grenzenlosen Freigiebigkeit (Gottes) zur Erhaltung ihres Lebens etwas zu ihrer Versorgung erheischen] oder als Ausdruck einer Notlage. (Jedes beseelte Wesen betet in einer Notlage inständig und nimmt zu seinem unsichtbaren Schutzherrn Zufluchtâ?¦ vielmehr wendet es sein Antlitz dem Herrn der Barmherzigkeit zu.) Diese drei Arten des Gebetes werden immer angenommen, wenn kein Hindernis dazwischen liegt.
Die vierte Art ist die bekannteste: unser Gebet. Es gibt zwei Arten. Die erste durch Tat und Verhalten, die zweite mit Herz und Mund. Zum Beispiel: Wenn man von den Ursachen ausgeht, ist es ein Gebet der Tat. Es genügt nicht, wenn bestimmte Umstände zusammentreffen, um das Ergebnis hervorzubringen; es handelt sich vielmehr darum, jene Haltung einzunehmen, mit der Gott der Gerechte zufrieden ist, wenn man in der Sprache des Verhaltens ein Ergebnis wünscht. Zu pflügen bedeutet also, an die Pforte der Schatzkammer der Barmherzigkeit zu klopfen. Diese Art, durch die Tat zu beten, erreicht meistens ihre Annahme, weil sie sich an Name und Attribut des Grenzenlos-Freigiebigen (Gottes) richtet. Die zweite Art zu beten ist mit Herz und Mund; darum zu bitten, etwas zu erlangen, was die Hände nicht erreichen können. Davon ist der bedeutendste Gesichtspunkt, das schönste Ziel und die süßeste Frucht diese: »Ein Mensch, der betet, begreift, dass es jemanden gibt, der zu erlauschen vermag, was sein Herz bewegt, dessen Hand alles erreichen kann, der jeden seiner Wünsche zu erfüllen weißâ?¦ der Mitleid mit der Schwäche hat, ihm in seiner Armseligkeit zu Hilfe kommt.«
Nun also, oh du schwacher Mensch! Du armseliges Geschöpf! Lass nicht deinen Händen entgleiten, was - wie das Gebet - der Schlüssel ist zur Schatzkammer der Barmherzigkeit und ein Angelpunkt grenzenloser Kraft. Ergreife ihn, steige auf zur höchsten Höhe der Menschlichkeit; wie ein König nimm die Gebete der ganzen Welt auf in dein eigenes Gebet. Sage wie ein universeller Diener, wie ein Generalvertreter:
»Dich allein bitten wir um Hilfe.« (Sure 1, 4)
Sei ein schönes Beispiel für die ganze Welt!