ABDULLAH4
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[h=1]Einundzwanzigstes Wort - Die Wunden des Herzens[/h]
[h=3]Das erste von zwei Kapiteln[/h]
»Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen; Es ist den Gläubigen vorgeschrieben, das Gebet zur bestimmten Zeit zu verrichten.« (Sure 4, 103)
Eines Tages kam ein älterer Herr zu mir. Er war groß von Gestalt, bekleidete einen höheren Rang und sagte zu mir: »Das Gebet ist gut. Es aber Tag für Tag fünfmal zu verrichten, ist zu viel. Man kommt zu keinem Ende. Macht das nicht überdrüssig?«
Über diesem Wort war bereits geraume Zeit vergangen, da vernahm ich die Stimme meiner Seele (nefs). Ich vernahm, dass sie die gleichen Worte wiederholte. Bei näherer Betrachtung erkannte ich, dass es der Teufel war, der ihr die gleiche Lektion ins Ohr ihrer Faulheit flüsterte. Damals verstand ich, dass der Herr damals dieses Wort gleichsam im Namen aller eigenwilligen Seelen (nufus-u emmare) ausgesprochen hatte. Es war ihm gleichsam in den Mund gelegt worden. Damals hatte ich zu mir selbst gesagt: »Auch ich habe solch eine eigenwillige Seele. Wer sich aber in seiner eigenen Gesinnung (nefs) nicht zu bessern vermag, vermag auch andere nicht in ihrer Gesinnung zu wandeln. Wenn dies aber so ist, so will ich bei meiner eigenen Seele anfangen.«
Ich sagte zu mir: »Oh meine Seele!... Da sitzt du nun in der Tinte, als habest du die Weisheit getrunken, liegst auf dem Bett deiner Faulheit und schläfst den Schlaf deiner Gottvergessenheit. So lass dir denn durch mich die folgenden fünf Ermahnungen entgegenhalten...
Erste Ermahnung: Oh meine arme Seele! Ist dein Leben etwa ewig? Hast du etwa einen festen Vertrag dafür, dass du noch bis nächstes Jahr, ja auch nur bis morgen am Leben bleiben wirst? Was deinen Überdruss bewirkt, ist dein Traum von einem ewigen Leben. In deinem Übermut verbummelst du dein Leben, als könntest du ewig in dieser Welt bleiben. Könntest du verstehen, wie kurz dein Leben ist, ja in Unfruchtbarkeit dahingeht, sicherlich brächte dich das dazu, von vierundzwanzig Stunden eine für das wahre Leben und die ewige Glückseligkeit zu opfern, um einen schönen, angenehmen und leichten Dienst zu verrichten, der dir Barmherzigkeit (rahmet) bringt. Du würdest deine Langeweile überwinden. Es könnte dich dazu veranlassen, dich allen Ernstes nach einem solchen Dienst zu sehnen, ihn als willkommen anzusehen und Geschmack an ihm zu finden.
Zweite Ermahnung: Oh meine Seele, die du dem Bauch dienst! Du isst Tag für Tag Brot, trinkst Wasser, atmest Luft ein. Macht das nicht überdrüssig? Sicherlich nicht; denn in dem ständig wiederkehrenden Bedürfnis danach bekommst du nicht Überdruss, sondern Appetit.
Wenn das aber so ist, dann kann auch das Gebet, das für die Freunde in deinem Hause, welche mein Körper ist, nämlich für mein Herz eine Labsal, für meinen Geist das Wasser des Lebens und für die Blumen des Herrn (=die feineren Sinnesorgane der Seele) gleich einer Liebkosung des Windes ist, der durch das Gebet angezogen, herbeigelockt wird, niemals zur Langeweile führen. In der Tat kann ein Herz, das von grenzenlosem Kummer und Schmerz heimgesucht und geplagt, zahllosen Genüssen verfallen und von unendlichen Hoffnungen umschmeichelt ist, nur dann mit der notwendigen Kraft und Ausdauer versorgt werden, wenn es in flehentlichem Gebet an die Pforte des Freigiebigen und Allbarmherzigen pocht, der da aller Dinge mächtig ist. Ja, in dieser vergänglichen Welt, durch die die Seele (ruh) so schnell hindurcheilt, Weh!-schreiend ob der Trennung von all den Dingen und Geschöpfen, mit denen sie doch in Beziehung steht, kann der Durst nur mit dem Wasser des Lebens aus dem Brunnen der Barmherzigkeit gestillt werden, wenn sich die Seele im Gebet dem Ewig-Angebeteten (Ma'bud-u Baki) und Immerdar-Geliebten (Mahbub-u Sermedi) zuwendet, der alle Dinge übertrifft. Ja, die bewusste meditative Wahrnehmung des Menschen (sirr-i insani) und die lichterfüllten Blumen des Herrn (latife-i Rabbaniye), die sich von Natur aus nach Ewigkeit sehnen und für die Ewigkeit erschaffen wurden, die ein Spiegel des Herrn von Ewigkeit zu Ewigkeit und so äußerst fein und empfindsam sind, bedürfen unter den kummervollen, zermürbenden, beklemmenden, vergänglichen, finsteren und bedrückenden Ereignissen dieses Lebens ganz besonders eines beständigen Atemholens und nur durch das Fenster des Gebetes vermögen sie eine solche Liebkosung zu empfangen.
Dritte Ermahnung: Oh meine ungeduldige Seele! Du denkst noch heute darüber nach, wie du dich in vergangenen Tagen darum bemüht hast, Gott zu dienen (ibadet), wie du dich angestrengt hast, dein Gebet zu verrichten, wie du dich wegen deines Unglücks geplagt hast und du machst dir darüber Sorgen. Desgleichen stellst du dir die Aufgabe künftigen Gottesdienstes (ibadet), die Verpflichtung zum Gebet und das Leiden an einem kommenden Unglück schon heute vor und zeigst dich ungeduldig. Aber ist das denn überhaupt sinnvoll?
In deiner Ungeduld gleichst du einem Kommandanten, der sich in seiner Verwirrung so verhält, dass er seine eigene Kampfkraft in der Mitte schwächt, indem er eine starke Streitmacht zum rechten Flügel befiehlt, obwohl der rechte Flügel der feindlichen Streitmacht bereits zum rechten Flügel der eigenen Streitmacht übergelaufen ist. Obwohl also nun der linke Flügel des Feindes von Soldaten entblößt ist, schickt er eine starke Streitmacht dorthin, wo doch gar jemand angelangt ist und befiehlt: »Feuer!« So sind seine eigenen Streitkräfte aus der Mitte ganz und gar abgezogen. Der Feind erfasst die Lage, greift in der Mitte an und stiftet dort heillose Verwirrung. Du gleichst ihm in der Tat. Denn die Anstrengungen der vergangenen Tage sind heute in Barmherzigkeit verwandelt worden. Schmerz ist vergangen; Freude ist geblieben. Plage hat mit (Gottes) Gnadengabe einen Bund geschlossen; Anstrengung verwandelte sich in Belohnung. Wenn das aber so ist, dann darfst du über all dem nicht Überdruss und Langeweile empfinden, vielmehr eine neue Begeisterung, eine wiedererwachte Freude in dir verspüren, die dich kräftig dazu anspornt, weiterzumachen. Was aber die künftigen Tage betrifft, so ruhen sie noch in der Zukunft Schoß. Schon heute darüber nachzudenken und dabei Langeweile und Überdruss zu empfinden ist die gleiche Torheit, wie schon heute über dem Gedanken an Hunger und Durst in Wehgeschrei und Tränen auszubrechen. In Anbetracht dieser Tatsache solltest du in dem Gedanken an Dienst und Anbetung nur beim Heute verweilen, wenn du verständig bist. Und sprich: »Ich opfere eine Stunde (des heutigen Tages) für einen willkommenen, schönen und erhabenen Dienst, der nur wenig Mühe kostet, aber reichen Lohn bringt.« Dann wird sich dir die Bitternis jeglichen Überdrusses in die Süßigkeit jeglicher Begeisterung verwandeln.
So sind denn dir, meine ungeduldige Seele, drei Arten von Geduld auferlegt.
Eine ist die Geduld gegenüber Gott (in Dienst und Anbetung).
Eine andere ist die Geduld im Aufruhr (der eigenen Natur gegenüber Gott).
Eine weitere schließlich ist die Geduld im Unglück.
Wenn du verständig bist, dann nimm dir die Wahrheit, die in dem Beispiel zu dieser dritten Ermahnung sichtbar wird, als Richtschur. Ermanne dich und rufe: »Ya Sabur!« (= Geduld, als einer der wundervollen Namen Allahs). Schultere diese drei Arten der Geduld. Die Kraft dieser Geduld, die Gott der Gerechte dir verliehen hat, wird dir, so du sie nicht auf einem falschen Weg verstreust, in jeglicher Mühsal und Plage hinreichend sein... und auf diese Kraft stütze dich...
Vierte Ermahnung: Oh meine verwirrte Seele! Ist denn Dienst und Anbetung eine Aufgabe, die zu keinem Ergebnis führt? Ist dir der Lohn dafür zu gering, sodass es dir nun leid wird? Denn wenn dir jemand etwas Geld gibt, oder du einfach dazu gezwungen bist, so arbeitest du für ihn bis zum Abend. Und du arbeitest, ohne dass es dir leid wird. Ja ist denn ein Gebet, das in dem Gasthaus dieser Welt Nahrung und Reichtum in der Not deines armen Herzens, Nahrung und Licht in dem Grab, das mit Sicherheit einmal deine Wohnstatt sein wird, Zeugnis und Freispruch auf dem Wiederversammlungsfeld, das in jedem Fall einmal dein Richtplatz sein wird, Licht und Reittier (buraq) auf der »Sirat« - Brücke, über die du einst gehen musst, ob du willst oder nicht, etwa wirkungslos und ohne Ergebnis? Oder ist es sein Lohn etwa zu wenig?
Gäbe dir jemand das Versprechen, dir ein großes Geldgeschenk zu machen, du würdest hundert Tage für ihn arbeiten. Es könnte sein, dass er sein Versprechen nicht einhält, du aber vertraust auf ihn und arbeitest für ihn, ohne zu murren. Wenn aber nun eine Persönlichkeit, für die es unmöglich ist, dass Sie Ihr Versprechen bräche, dir das Paradies zum Lohn und die ewige Glückseligkeit zum Geschenk versprechen wollte und dich dann für eine ganz kurze Zeit und für eine sehr schöne Aufgabe einstellte, und wenn du dann Ihr nicht dienen wolltest oder deinen Dienst nur widerwillig oder halbherzig verrichtetest oder nur deinem Herrn zu Spott oder Ärger, sodass du ihn beleidigst oder Sein Geschenk gering achtest, ja denkst du denn nicht, dass du eine schwere Strafe empfangen und furchtbare Qualen erleiden würdest? Wenn du in dieser Welt aus Angst vor dem Gefängnis ohne zu murren den schwersten Dienst verrichtest, spornt es dich denn dann nicht dazu an, aus Furcht vor der ewigen Gefängnisstrafe der Hölle einen leichten und angenehmen Dienst zu verrichten?
Fünfte Ermahnung: Oh du meine Seele, die du die Welt anbetest! Rührt deine Abneigung gegen den Gottesdienst (ibadet) und deine Nachlässigkeit im Gebet etwa von einem Übermaß an weltlichen Beschäftigungen? Oder ist es deshalb, weil du in deiner Sorge um das tägliche Brot so beschäftigt bist, dass du darüber hinaus keine Zeit mehr findest? Oder bist du etwa nur für das Diesseits erschaffen worden, sodass du all deine Zeit dafür aufwendest? Du weißt, dass du hinsichtlich deiner Fähigkeiten über allen Tieren stehst, doch in der Beschaffung aller lebensnotwendigen Dinge für dieses irdische Leben vermagst du weniger als ein Sperling. Warum aber ziehst du dann daraus nicht die Schlussfolgerung, dass es nicht deine ureigentliche Aufgabe ist, dich abzuplagen wie ein Tier, vielmehr dich wie ein wahrer Mensch um das wahre und ewige Leben zu bemühen.
Außerdem ist das, was du eine weltliche Tätigkeit nennst, zumeist etwas, das dich nichts angeht. Es sind leerlaufende Beschäftigungen, mit denen du dich überflüssiger Weise einmischst und nur alles durcheinander bringst. Du unterlässt das Notwendigste und vertreibst dir die Zeit mit nutzlosen Informationen, als hättest du ein Leben von Jahrtausenden vor dir. Du fragst zum Beispiel: »Woraus bestehen die Ringe des Saturn?« oder: »Wie viele Rassen von Hühnern gibt es in Amerika?« und vertreibst dir mit dergleichen wertlosen Dingen deine wertvolle Zeit. Als ob du durch Astronomie und Geographie, durch die Wissenschaft und Statistik zur Vollkommenheit (kemal) gelangen könntest!...
Sagtest du: »Was mich von Gebet und Gottesdienst (namaz ve ibadet) abhält und eine Art von Lustlosigkeit und Verdrossenheit in mir aufkommen lässt, sind nicht dergleichen überflüssigen Dinge, es sind vielmehr alle jene unabdingbaren Verrichtungen, die mit der Sorge um das tägliche Brot verbunden sind.« Wäre dies so, dann würde ich dir sagen: »Angenommen, du müsstest für hundert Kurush am Tag arbeiten. Dann käme jemand zu dir und sagte: Komm und schürfe hier für zehn Minuten, dann wirst du Smaragde und Diamanten im Werte von hundert Lira finden! würdest du ihm dann entgegnen: Nein, ich komme nicht. Es würde meinen Tagelohn von hundert Kurush schmälern, würde mir am Lebensunterhalt fehlen... dann weißt du, was für eine törichte Ausrede das wäre.« Denn genauso arbeitest auch du in diesem Weinberg für deinen Lebensunterhalt. Wenn du nämlich die vorgeschriebenen Gebete vernachlässigst, wird die ganze Frucht deiner Arbeit sich lediglich auf weltlichen, bedeutungslosen Lebensunterhalt beschränken und ohne Segen sein. Wenn du die Zeit für Ruhe und Erholung aber dazu verwendest, dem Atemholen deiner Seele (ruh) und der Ruhe deines Herzens zu dienen, wirst du dir zusätzlich zu einem segensreichen irdischen Lebensunterhalt auch noch einen himmlischen Lebensunterhalt verdienen, einen Vorrat für das jenseitige Leben ansammeln und einen wichtigen Brunnen entdecken, der aus zwei geistigen Quellen gespeist wird.
Erste Quelle: Von allem, was du in deinem Garten Zweite Quelle: Darüber hinaus gilt noch: Wer auch immer von dem Ertrag dieses Gartens isst, sei es ein Tier oder ein Mensch, eine Ziege oder eine Fliege, ein Käufer oder Dieb, es wird dir als Sadaqa (Spende) angerechnet werden, allerdings unter der Bedingung, dass du darüber im Namen des wahren Versorgers (Rezzak-i Hakiki) und innerhalb der erlaubten Grenzen verfügst und dich selbst dabei wie einen Verwalter betrachtest, der von den Gütern seines Herrn und Gottes Wohltaten an Seine Geschöpfe austeilt.
Schau also, welch großen Verlust der erleidet, der das Gebet vernachlässigt und welch bedeutenden Reichtum er dadurch verliert. Von diesen beiden Ergebnissen, aus denen ihm Freude erwächst und von den beiden Quellen, aus denen er eine große geistige Kraft für seine Arbeit erhält, bleibt er ausgeschlossen und geht zu Grunde. Ja im Alter verliert er sogar die Freude an seiner Arbeit im Garten, wird ihrer überdrüssig. »Was geht es mich an?«, sagt er... »Ich gehe ohnehin aus dieser Welt. Warum soll ich dann so viele Mühe darauf verwenden?« So verfällt er der Faulheit.
Doch der erste Mann sagt: »Ich werde mich in meinem Dienst für Gott noch mehr einsetzen und mich um die erlaubten Früchte der Arbeit bemühen, sodass ich noch mehr Licht in mein Grab senden werde. Ich werde für mein Leben im Jenseits einen noch größeren Vorrat anlegen.«
Zusammenfassung: Oh meine Seele! Wisse, dass der gestrige Tag deinen Händen entglitten ist. Was aber den morgigen betrifft, so hast du in deiner Hand keine Garantie dafür, dass er dir gehören wird. Wenn dies aber so ist, so wisse, dass dein wahres Leben in dem Tag zu finden ist, in dem du lebst. Darum verbringe auf jeden Fall wenigstens eine Stunde täglich in der Mosche oder auf deinem Gebetsteppich. Das wird für dich so sein, als habest du sie in eine Sparbüchse des Jenseits für deine wahre Zukunft gelegt. Und überdies wisse, dass jeder neue Tag ein Tor zu einer neuen Welt ist für dich und für jedermann. Wenn du das Gebet nicht verrichtest, wird deine Welt an jenem Tage in Finsternis und Verwirrung an dir vorbeigleiten. Dieser Tag wird in der Welt der Beispiele (alem-i misal) als ein Zeuge gegen dich auftreten. Denn ein jeder lebt täglich in einer eigenen Welt innerhalb dieser unserer Welt. Diese Welt gestaltet sich entsprechend dem Herzen und den Handlungen des Menschen. Denn ein königliches Schloss, das man in einem Spiegel betrachtet, nimmt die Farbe dieses Spiegels an. Ist dieser schwarz, sieht es auch schwarz aus. Ist er rot, sieht es auch rot aus. Außerdem ist das Aussehen des Schlosses auch noch von der Form des Spiegels abhängig. Ist das Spiegelglas eben, wird es das Schloss gut abbilden. Ist es uneben, wird das Spiegelbild verzerrt sein. So wie sich dir die feinsten Dinge vergröbert zeigen, so kannst du deine eigene kleine Welt mit dem Herzen, mit dem Verstand, mit deiner Seele, durch deine Handlungen verändern und gestalten. Sie wird dann für dich oder gegen dich Zeugnis ablegen. Wenn du betest und dein Antlitz im Gebet dem Baumeister dieser Welt in Seiner Majestät (Sani-i Dhu l-Djelal) zuwendest, wirst du diese deine kleine Welt plötzlich erleuchtet finden. Es ist, als sei das Gebet eine elektrische Lampe und deine Absicht (niyet) zu beten wie die Bedienung ihres Schalters, so dass die Dunkelheit dieser Welt weichen muss. So zeigt es sich, dass die so chaotischen und so verwirrenden Zustände in dieser Welt, all die Bewegungen und Veränderungen in diesem Tohuwabohu in Wirklichkeit Ausdruck weisheitsvoller Ordnung sind, ein Schriftzug der Macht voll tiefer Bedeutung. So fällt aus dem Licht der Ayah:
»Allah ist das Licht der Himmel und der Erden.« (Sure 24, 35)
ein Strahl in dein Herz. An jenem Tage wird deine kleine Welt von dem Reflex dieses Lichtes erhellt sein. In diesem Licht wird sie für dich Zeugnis ablegen.
Hüte dich also davor, jemals zu sagen: »Mein Gebet, was ist das schon?... und was ist dagegen ein wahrhaftiges Gebet?« Denn ein Dattelkern enthält wie ein Dattelbaum in sich selbst die Eigenschaften dieses Dattelbaumes. Der Unterschied besteht wie zwischen einer Kurzfassung und einer ausführlichen Darstellung lediglich darin, dass das Gebet gewöhnlicher Leute wie du und ich auch wenn wir es nicht spüren seinen Anteil am Licht eines großen Heiligen (veli) erhält, das Geheimnis seiner Wahrhaftigkeit empfängt - auch wenn du dir dessen nicht bewusst bist. Doch je nach der Entwicklungsstufe des Menschen entfaltet sich auch sein Gebet, unterscheiden sich die verschiedenen Gebete nach ihrer (Licht)aus-strahlung. So wie es vom Dattelkern bis zur ausgewachsenen Palme viele verschiedene Stufen gibt, so finden sich auch zwischen den unterschiedlichen Graden des Gebetes noch mehr verschiedene Stufen. Doch auf all diesen Stufen treffen wir die Wesensmerkmale dieser wahrhaftigen lichten Ausstrahlung...
»Oh Allah! Sende herab Deinen Frieden und gieße aus Deinen Segen auf den, der gesagt hat: »Das Gebet ist die Säule des Glaubens«, und über seine Familie und alle seine Gefährten.«
[h=3]Das erste von zwei Kapiteln[/h]
»Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen; Es ist den Gläubigen vorgeschrieben, das Gebet zur bestimmten Zeit zu verrichten.« (Sure 4, 103)
Eines Tages kam ein älterer Herr zu mir. Er war groß von Gestalt, bekleidete einen höheren Rang und sagte zu mir: »Das Gebet ist gut. Es aber Tag für Tag fünfmal zu verrichten, ist zu viel. Man kommt zu keinem Ende. Macht das nicht überdrüssig?«
Über diesem Wort war bereits geraume Zeit vergangen, da vernahm ich die Stimme meiner Seele (nefs). Ich vernahm, dass sie die gleichen Worte wiederholte. Bei näherer Betrachtung erkannte ich, dass es der Teufel war, der ihr die gleiche Lektion ins Ohr ihrer Faulheit flüsterte. Damals verstand ich, dass der Herr damals dieses Wort gleichsam im Namen aller eigenwilligen Seelen (nufus-u emmare) ausgesprochen hatte. Es war ihm gleichsam in den Mund gelegt worden. Damals hatte ich zu mir selbst gesagt: »Auch ich habe solch eine eigenwillige Seele. Wer sich aber in seiner eigenen Gesinnung (nefs) nicht zu bessern vermag, vermag auch andere nicht in ihrer Gesinnung zu wandeln. Wenn dies aber so ist, so will ich bei meiner eigenen Seele anfangen.«
Ich sagte zu mir: »Oh meine Seele!... Da sitzt du nun in der Tinte, als habest du die Weisheit getrunken, liegst auf dem Bett deiner Faulheit und schläfst den Schlaf deiner Gottvergessenheit. So lass dir denn durch mich die folgenden fünf Ermahnungen entgegenhalten...
Erste Ermahnung: Oh meine arme Seele! Ist dein Leben etwa ewig? Hast du etwa einen festen Vertrag dafür, dass du noch bis nächstes Jahr, ja auch nur bis morgen am Leben bleiben wirst? Was deinen Überdruss bewirkt, ist dein Traum von einem ewigen Leben. In deinem Übermut verbummelst du dein Leben, als könntest du ewig in dieser Welt bleiben. Könntest du verstehen, wie kurz dein Leben ist, ja in Unfruchtbarkeit dahingeht, sicherlich brächte dich das dazu, von vierundzwanzig Stunden eine für das wahre Leben und die ewige Glückseligkeit zu opfern, um einen schönen, angenehmen und leichten Dienst zu verrichten, der dir Barmherzigkeit (rahmet) bringt. Du würdest deine Langeweile überwinden. Es könnte dich dazu veranlassen, dich allen Ernstes nach einem solchen Dienst zu sehnen, ihn als willkommen anzusehen und Geschmack an ihm zu finden.
Zweite Ermahnung: Oh meine Seele, die du dem Bauch dienst! Du isst Tag für Tag Brot, trinkst Wasser, atmest Luft ein. Macht das nicht überdrüssig? Sicherlich nicht; denn in dem ständig wiederkehrenden Bedürfnis danach bekommst du nicht Überdruss, sondern Appetit.
Wenn das aber so ist, dann kann auch das Gebet, das für die Freunde in deinem Hause, welche mein Körper ist, nämlich für mein Herz eine Labsal, für meinen Geist das Wasser des Lebens und für die Blumen des Herrn (=die feineren Sinnesorgane der Seele) gleich einer Liebkosung des Windes ist, der durch das Gebet angezogen, herbeigelockt wird, niemals zur Langeweile führen. In der Tat kann ein Herz, das von grenzenlosem Kummer und Schmerz heimgesucht und geplagt, zahllosen Genüssen verfallen und von unendlichen Hoffnungen umschmeichelt ist, nur dann mit der notwendigen Kraft und Ausdauer versorgt werden, wenn es in flehentlichem Gebet an die Pforte des Freigiebigen und Allbarmherzigen pocht, der da aller Dinge mächtig ist. Ja, in dieser vergänglichen Welt, durch die die Seele (ruh) so schnell hindurcheilt, Weh!-schreiend ob der Trennung von all den Dingen und Geschöpfen, mit denen sie doch in Beziehung steht, kann der Durst nur mit dem Wasser des Lebens aus dem Brunnen der Barmherzigkeit gestillt werden, wenn sich die Seele im Gebet dem Ewig-Angebeteten (Ma'bud-u Baki) und Immerdar-Geliebten (Mahbub-u Sermedi) zuwendet, der alle Dinge übertrifft. Ja, die bewusste meditative Wahrnehmung des Menschen (sirr-i insani) und die lichterfüllten Blumen des Herrn (latife-i Rabbaniye), die sich von Natur aus nach Ewigkeit sehnen und für die Ewigkeit erschaffen wurden, die ein Spiegel des Herrn von Ewigkeit zu Ewigkeit und so äußerst fein und empfindsam sind, bedürfen unter den kummervollen, zermürbenden, beklemmenden, vergänglichen, finsteren und bedrückenden Ereignissen dieses Lebens ganz besonders eines beständigen Atemholens und nur durch das Fenster des Gebetes vermögen sie eine solche Liebkosung zu empfangen.
Dritte Ermahnung: Oh meine ungeduldige Seele! Du denkst noch heute darüber nach, wie du dich in vergangenen Tagen darum bemüht hast, Gott zu dienen (ibadet), wie du dich angestrengt hast, dein Gebet zu verrichten, wie du dich wegen deines Unglücks geplagt hast und du machst dir darüber Sorgen. Desgleichen stellst du dir die Aufgabe künftigen Gottesdienstes (ibadet), die Verpflichtung zum Gebet und das Leiden an einem kommenden Unglück schon heute vor und zeigst dich ungeduldig. Aber ist das denn überhaupt sinnvoll?
In deiner Ungeduld gleichst du einem Kommandanten, der sich in seiner Verwirrung so verhält, dass er seine eigene Kampfkraft in der Mitte schwächt, indem er eine starke Streitmacht zum rechten Flügel befiehlt, obwohl der rechte Flügel der feindlichen Streitmacht bereits zum rechten Flügel der eigenen Streitmacht übergelaufen ist. Obwohl also nun der linke Flügel des Feindes von Soldaten entblößt ist, schickt er eine starke Streitmacht dorthin, wo doch gar jemand angelangt ist und befiehlt: »Feuer!« So sind seine eigenen Streitkräfte aus der Mitte ganz und gar abgezogen. Der Feind erfasst die Lage, greift in der Mitte an und stiftet dort heillose Verwirrung. Du gleichst ihm in der Tat. Denn die Anstrengungen der vergangenen Tage sind heute in Barmherzigkeit verwandelt worden. Schmerz ist vergangen; Freude ist geblieben. Plage hat mit (Gottes) Gnadengabe einen Bund geschlossen; Anstrengung verwandelte sich in Belohnung. Wenn das aber so ist, dann darfst du über all dem nicht Überdruss und Langeweile empfinden, vielmehr eine neue Begeisterung, eine wiedererwachte Freude in dir verspüren, die dich kräftig dazu anspornt, weiterzumachen. Was aber die künftigen Tage betrifft, so ruhen sie noch in der Zukunft Schoß. Schon heute darüber nachzudenken und dabei Langeweile und Überdruss zu empfinden ist die gleiche Torheit, wie schon heute über dem Gedanken an Hunger und Durst in Wehgeschrei und Tränen auszubrechen. In Anbetracht dieser Tatsache solltest du in dem Gedanken an Dienst und Anbetung nur beim Heute verweilen, wenn du verständig bist. Und sprich: »Ich opfere eine Stunde (des heutigen Tages) für einen willkommenen, schönen und erhabenen Dienst, der nur wenig Mühe kostet, aber reichen Lohn bringt.« Dann wird sich dir die Bitternis jeglichen Überdrusses in die Süßigkeit jeglicher Begeisterung verwandeln.
So sind denn dir, meine ungeduldige Seele, drei Arten von Geduld auferlegt.
Eine ist die Geduld gegenüber Gott (in Dienst und Anbetung).
Eine andere ist die Geduld im Aufruhr (der eigenen Natur gegenüber Gott).
Eine weitere schließlich ist die Geduld im Unglück.
Wenn du verständig bist, dann nimm dir die Wahrheit, die in dem Beispiel zu dieser dritten Ermahnung sichtbar wird, als Richtschur. Ermanne dich und rufe: »Ya Sabur!« (= Geduld, als einer der wundervollen Namen Allahs). Schultere diese drei Arten der Geduld. Die Kraft dieser Geduld, die Gott der Gerechte dir verliehen hat, wird dir, so du sie nicht auf einem falschen Weg verstreust, in jeglicher Mühsal und Plage hinreichend sein... und auf diese Kraft stütze dich...
Vierte Ermahnung: Oh meine verwirrte Seele! Ist denn Dienst und Anbetung eine Aufgabe, die zu keinem Ergebnis führt? Ist dir der Lohn dafür zu gering, sodass es dir nun leid wird? Denn wenn dir jemand etwas Geld gibt, oder du einfach dazu gezwungen bist, so arbeitest du für ihn bis zum Abend. Und du arbeitest, ohne dass es dir leid wird. Ja ist denn ein Gebet, das in dem Gasthaus dieser Welt Nahrung und Reichtum in der Not deines armen Herzens, Nahrung und Licht in dem Grab, das mit Sicherheit einmal deine Wohnstatt sein wird, Zeugnis und Freispruch auf dem Wiederversammlungsfeld, das in jedem Fall einmal dein Richtplatz sein wird, Licht und Reittier (buraq) auf der »Sirat« - Brücke, über die du einst gehen musst, ob du willst oder nicht, etwa wirkungslos und ohne Ergebnis? Oder ist es sein Lohn etwa zu wenig?
Gäbe dir jemand das Versprechen, dir ein großes Geldgeschenk zu machen, du würdest hundert Tage für ihn arbeiten. Es könnte sein, dass er sein Versprechen nicht einhält, du aber vertraust auf ihn und arbeitest für ihn, ohne zu murren. Wenn aber nun eine Persönlichkeit, für die es unmöglich ist, dass Sie Ihr Versprechen bräche, dir das Paradies zum Lohn und die ewige Glückseligkeit zum Geschenk versprechen wollte und dich dann für eine ganz kurze Zeit und für eine sehr schöne Aufgabe einstellte, und wenn du dann Ihr nicht dienen wolltest oder deinen Dienst nur widerwillig oder halbherzig verrichtetest oder nur deinem Herrn zu Spott oder Ärger, sodass du ihn beleidigst oder Sein Geschenk gering achtest, ja denkst du denn nicht, dass du eine schwere Strafe empfangen und furchtbare Qualen erleiden würdest? Wenn du in dieser Welt aus Angst vor dem Gefängnis ohne zu murren den schwersten Dienst verrichtest, spornt es dich denn dann nicht dazu an, aus Furcht vor der ewigen Gefängnisstrafe der Hölle einen leichten und angenehmen Dienst zu verrichten?
Fünfte Ermahnung: Oh du meine Seele, die du die Welt anbetest! Rührt deine Abneigung gegen den Gottesdienst (ibadet) und deine Nachlässigkeit im Gebet etwa von einem Übermaß an weltlichen Beschäftigungen? Oder ist es deshalb, weil du in deiner Sorge um das tägliche Brot so beschäftigt bist, dass du darüber hinaus keine Zeit mehr findest? Oder bist du etwa nur für das Diesseits erschaffen worden, sodass du all deine Zeit dafür aufwendest? Du weißt, dass du hinsichtlich deiner Fähigkeiten über allen Tieren stehst, doch in der Beschaffung aller lebensnotwendigen Dinge für dieses irdische Leben vermagst du weniger als ein Sperling. Warum aber ziehst du dann daraus nicht die Schlussfolgerung, dass es nicht deine ureigentliche Aufgabe ist, dich abzuplagen wie ein Tier, vielmehr dich wie ein wahrer Mensch um das wahre und ewige Leben zu bemühen.
Außerdem ist das, was du eine weltliche Tätigkeit nennst, zumeist etwas, das dich nichts angeht. Es sind leerlaufende Beschäftigungen, mit denen du dich überflüssiger Weise einmischst und nur alles durcheinander bringst. Du unterlässt das Notwendigste und vertreibst dir die Zeit mit nutzlosen Informationen, als hättest du ein Leben von Jahrtausenden vor dir. Du fragst zum Beispiel: »Woraus bestehen die Ringe des Saturn?« oder: »Wie viele Rassen von Hühnern gibt es in Amerika?« und vertreibst dir mit dergleichen wertlosen Dingen deine wertvolle Zeit. Als ob du durch Astronomie und Geographie, durch die Wissenschaft und Statistik zur Vollkommenheit (kemal) gelangen könntest!...
Sagtest du: »Was mich von Gebet und Gottesdienst (namaz ve ibadet) abhält und eine Art von Lustlosigkeit und Verdrossenheit in mir aufkommen lässt, sind nicht dergleichen überflüssigen Dinge, es sind vielmehr alle jene unabdingbaren Verrichtungen, die mit der Sorge um das tägliche Brot verbunden sind.« Wäre dies so, dann würde ich dir sagen: »Angenommen, du müsstest für hundert Kurush am Tag arbeiten. Dann käme jemand zu dir und sagte: Komm und schürfe hier für zehn Minuten, dann wirst du Smaragde und Diamanten im Werte von hundert Lira finden! würdest du ihm dann entgegnen: Nein, ich komme nicht. Es würde meinen Tagelohn von hundert Kurush schmälern, würde mir am Lebensunterhalt fehlen... dann weißt du, was für eine törichte Ausrede das wäre.« Denn genauso arbeitest auch du in diesem Weinberg für deinen Lebensunterhalt. Wenn du nämlich die vorgeschriebenen Gebete vernachlässigst, wird die ganze Frucht deiner Arbeit sich lediglich auf weltlichen, bedeutungslosen Lebensunterhalt beschränken und ohne Segen sein. Wenn du die Zeit für Ruhe und Erholung aber dazu verwendest, dem Atemholen deiner Seele (ruh) und der Ruhe deines Herzens zu dienen, wirst du dir zusätzlich zu einem segensreichen irdischen Lebensunterhalt auch noch einen himmlischen Lebensunterhalt verdienen, einen Vorrat für das jenseitige Leben ansammeln und einen wichtigen Brunnen entdecken, der aus zwei geistigen Quellen gespeist wird.
Erste Quelle: Von allem, was du in deinem Garten Zweite Quelle: Darüber hinaus gilt noch: Wer auch immer von dem Ertrag dieses Gartens isst, sei es ein Tier oder ein Mensch, eine Ziege oder eine Fliege, ein Käufer oder Dieb, es wird dir als Sadaqa (Spende) angerechnet werden, allerdings unter der Bedingung, dass du darüber im Namen des wahren Versorgers (Rezzak-i Hakiki) und innerhalb der erlaubten Grenzen verfügst und dich selbst dabei wie einen Verwalter betrachtest, der von den Gütern seines Herrn und Gottes Wohltaten an Seine Geschöpfe austeilt.
Schau also, welch großen Verlust der erleidet, der das Gebet vernachlässigt und welch bedeutenden Reichtum er dadurch verliert. Von diesen beiden Ergebnissen, aus denen ihm Freude erwächst und von den beiden Quellen, aus denen er eine große geistige Kraft für seine Arbeit erhält, bleibt er ausgeschlossen und geht zu Grunde. Ja im Alter verliert er sogar die Freude an seiner Arbeit im Garten, wird ihrer überdrüssig. »Was geht es mich an?«, sagt er... »Ich gehe ohnehin aus dieser Welt. Warum soll ich dann so viele Mühe darauf verwenden?« So verfällt er der Faulheit.
Doch der erste Mann sagt: »Ich werde mich in meinem Dienst für Gott noch mehr einsetzen und mich um die erlaubten Früchte der Arbeit bemühen, sodass ich noch mehr Licht in mein Grab senden werde. Ich werde für mein Leben im Jenseits einen noch größeren Vorrat anlegen.«
Zusammenfassung: Oh meine Seele! Wisse, dass der gestrige Tag deinen Händen entglitten ist. Was aber den morgigen betrifft, so hast du in deiner Hand keine Garantie dafür, dass er dir gehören wird. Wenn dies aber so ist, so wisse, dass dein wahres Leben in dem Tag zu finden ist, in dem du lebst. Darum verbringe auf jeden Fall wenigstens eine Stunde täglich in der Mosche oder auf deinem Gebetsteppich. Das wird für dich so sein, als habest du sie in eine Sparbüchse des Jenseits für deine wahre Zukunft gelegt. Und überdies wisse, dass jeder neue Tag ein Tor zu einer neuen Welt ist für dich und für jedermann. Wenn du das Gebet nicht verrichtest, wird deine Welt an jenem Tage in Finsternis und Verwirrung an dir vorbeigleiten. Dieser Tag wird in der Welt der Beispiele (alem-i misal) als ein Zeuge gegen dich auftreten. Denn ein jeder lebt täglich in einer eigenen Welt innerhalb dieser unserer Welt. Diese Welt gestaltet sich entsprechend dem Herzen und den Handlungen des Menschen. Denn ein königliches Schloss, das man in einem Spiegel betrachtet, nimmt die Farbe dieses Spiegels an. Ist dieser schwarz, sieht es auch schwarz aus. Ist er rot, sieht es auch rot aus. Außerdem ist das Aussehen des Schlosses auch noch von der Form des Spiegels abhängig. Ist das Spiegelglas eben, wird es das Schloss gut abbilden. Ist es uneben, wird das Spiegelbild verzerrt sein. So wie sich dir die feinsten Dinge vergröbert zeigen, so kannst du deine eigene kleine Welt mit dem Herzen, mit dem Verstand, mit deiner Seele, durch deine Handlungen verändern und gestalten. Sie wird dann für dich oder gegen dich Zeugnis ablegen. Wenn du betest und dein Antlitz im Gebet dem Baumeister dieser Welt in Seiner Majestät (Sani-i Dhu l-Djelal) zuwendest, wirst du diese deine kleine Welt plötzlich erleuchtet finden. Es ist, als sei das Gebet eine elektrische Lampe und deine Absicht (niyet) zu beten wie die Bedienung ihres Schalters, so dass die Dunkelheit dieser Welt weichen muss. So zeigt es sich, dass die so chaotischen und so verwirrenden Zustände in dieser Welt, all die Bewegungen und Veränderungen in diesem Tohuwabohu in Wirklichkeit Ausdruck weisheitsvoller Ordnung sind, ein Schriftzug der Macht voll tiefer Bedeutung. So fällt aus dem Licht der Ayah:
»Allah ist das Licht der Himmel und der Erden.« (Sure 24, 35)
ein Strahl in dein Herz. An jenem Tage wird deine kleine Welt von dem Reflex dieses Lichtes erhellt sein. In diesem Licht wird sie für dich Zeugnis ablegen.
Hüte dich also davor, jemals zu sagen: »Mein Gebet, was ist das schon?... und was ist dagegen ein wahrhaftiges Gebet?« Denn ein Dattelkern enthält wie ein Dattelbaum in sich selbst die Eigenschaften dieses Dattelbaumes. Der Unterschied besteht wie zwischen einer Kurzfassung und einer ausführlichen Darstellung lediglich darin, dass das Gebet gewöhnlicher Leute wie du und ich auch wenn wir es nicht spüren seinen Anteil am Licht eines großen Heiligen (veli) erhält, das Geheimnis seiner Wahrhaftigkeit empfängt - auch wenn du dir dessen nicht bewusst bist. Doch je nach der Entwicklungsstufe des Menschen entfaltet sich auch sein Gebet, unterscheiden sich die verschiedenen Gebete nach ihrer (Licht)aus-strahlung. So wie es vom Dattelkern bis zur ausgewachsenen Palme viele verschiedene Stufen gibt, so finden sich auch zwischen den unterschiedlichen Graden des Gebetes noch mehr verschiedene Stufen. Doch auf all diesen Stufen treffen wir die Wesensmerkmale dieser wahrhaftigen lichten Ausstrahlung...
»Oh Allah! Sende herab Deinen Frieden und gieße aus Deinen Segen auf den, der gesagt hat: »Das Gebet ist die Säule des Glaubens«, und über seine Familie und alle seine Gefährten.«