Wir dürfen andere nicht gering schätzen

garp

Active member
Wir dürfen andere nicht gering schätzen



Bismillahirrahmanirrahim
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]

“Allah auferlegte euch die Religion, die Er auch Noah auferlegte. O Muhammed!
Wir haben dir eingegeben (offenbart), Wir haben Abraham, Moses und Jesus
eingegeben:’Bleibt bei der Religion und geratet nicht auseinander hinsichtlich
ihrer.’”
[Sure “Schura”, Vers 13]



Verehrte Gläubige,

in der globalisierten Welt von heute rücken die Gesellschaften und die Kulturen
immer näher aneinander. Ja sie gehen sogar regelrecht ineinander auf. Zur
gleichen Zeit erleben wir aber auch Hunger und Armut, Arbeitslosigkeit, fehlende
Chancengleichheit, Sittenverfall, Unglauben, fehlende gesundheitliche Versorgung
sowie Probleme im Bereich der Bildungsmöglichkeiten. Ein weiteres, mindestens
ebenso gravierendes Problem ist dabei die fehlende Akzeptanz für die

Unterschiedlichkeit unter den Menschen. Dieser Umstand steht dann auch in
direktem Bezug zu den erstgenannten Problemen. Betroffen hiervon ist nicht nur
eine Region oder ein Land, sondern auf die eine oder andere Art die ganze Welt.
Der Islam nimmt hier deutlich die Meinungs- und Glaubensfreiheit sowie das Recht
auf Leben in den Schutz und hat Regeln aufgestellt, die für ein gedeihliches
Miteinander der Menschen sowie für gegenseitige Akzeptanz sorgen und somit
keinen Platz lassen für negative Empfindungen. Der Koran weist uns in diesem
Zusammenhang darauf hin, dass die Unterschiede zwischen den Menschen
hinsichtlich ihrer Herkunft, ihrer Sprache, ihres Geschlechts und ihres Rangs in der
Gesellschaft einem bestimmten weisen Ratsschluss (hikmet) folgend gottgewollt
sind und die Menschen daher diese Unterschiede akzeptieren müssen. [1]


Verehrte Muslime,

“Islam” ist der gemeinsame Name für die Religion, wie sie die Propheten,
angefangen von Adam bis hin zu Muhammed (A.s.s.H.), aufgestellt haben. So heißt
es hierzu im Koran: “Allah auferlegte euch die Religion, die Er auch Noah
auferlegte. O Muhammed! Wir haben dir eingegeben (offenbart), Wir haben



Abraham, Moses und Jesus eingegeben: ‘Bleibt bei der Religion und geratet
nicht auseinander hinsichtlich ihrer.’” [2]

Nach islamischer Sicht hatten alle Propheten und Gesandten den selben Auftrag,
nämlich den der Konsolidierung des Monotheismus. Sie sind daher alle Brüder.
Keiner ist als Prophet, bzw. Gesandter dem anderen über- oder unterlegen.
Muslime erkennen alle Propheten als solche an. Im Koran heißt es hierzu: “Sagt:
‘Wir glauben an Allah, an das, was auf uns herabgesandt wurde sowie an das,
was auf Abraham, Ismael, Ishak, Jakob und seine Enkel herabgesandt wurde
sowie an das, was Moses und Jesus und den anderen Propheten von ihrem
Herrn gegeben wurde. Wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen. Wir
sind die, die sich Ihm ergeben haben.’” [3]



Verehrte Gemeinde,

unserem Zivilisationsverständnis liegt zu Grunde der Grundsatz, das Geschöpf zu
lieben um seines Schöpfers willen, alles Seiende zu umarmen mit Liebe und
Barmherzigkeit und den Anderen das zu wünschen, was wir auch für uns selbst
wünschen. So hat Anatolien, das Land, aus dem wir ursprünglich herkommen, in
seiner langen Geschichte die unterschiedlichsten Erfahrungen der Menschheit, ihre
Traditionen und Werte nicht nur aufgesogen, sondern diese auch Generation für
Generation weiter gegeben. Es wäre daher nicht falsch, das Land als Wiege der
Kultur zu bezeichnen. Nicht umsonst ist unsere Kultur die des friedlichen
Miteinanders und der Toleranz. Nicht umsonst achten wir die Menschen einfach nur
deswegen, weil sie Menschen sind und erachten ihre Unterschiedlichkeit, mit der
sie lediglich um Wohltaten wetteifern dürfen, als Bereicherung. Allesamt

Geisteshaltungen, an denen sich die Welt ein Beispiel nehmen kann. Ahmet Yesevi,
Yunus Emre, Mevlana, Hacı Bektaş Veli oder Hacı Bayram Veli, anatolische Mystiker
und Vertreter dieser Zivilisation der Liebe, folgten im Grunde eben diesen
Prinzipien, als sie ihre Gedanken zur Erkenntnis (Gottes) sowie zur Liebe und
Toleranz formulierten.

Und unser Prophet beließ den Frieden, die Toleranz, das Vergeben und die
Barmherzigkeit – allesamt Werte, die der Mensch von heute für ein friedliches
Miteinander am nötigsten hat - nicht beim bloßen Wort, sondern setzte diese auch
in die Tat um.



Verehrte Muslime,

wir sollten diese vortrefflichen Seiten unserer erhabenen Religion uns selbst aber
auch dem Rest der Menschheit nicht vorenthalten. Meine Predigt möchte ich an
dieser Stelle beenden mit einem Hadis: “Die liebenswerteste Religion vor Allah
ist die tolerante Religion. Ich wurde gesandt mit der toleranten, der
Veranlagung des Menschen am nächsten Religion (el-hanifiyya el-samha).” [4]

[1] Kur’an, 49/13; 30/22; 6/165; 17/21; 43/32.
[2] Kur’an, 42/13.
[3] Kur’an, 2/136.
[4] Musned, I/236.

Süleyman TEKŞEN, Religionsbeauftragter in Regensburg
 
Üst